Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

26.05.2022 / Orte und Plätze

Zwei amtliche Antworten

Von Ottmar Fischer. Es fällt schon wieder zu wenig Regen, und die ersten Hitzetage des Jahres trafen wieder viel zu früh ein. Um die darin erkennbare Erderwärmung nicht noch weiter anzuheizen, arbeiten viele am beschleunigten Ausstieg aus dem Verbrennen von Kohlenstoff, doch einfach ist das nicht, wie die Mühen der Ebene zeigen.
Demo des Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg für gute und sichere Radwege, 4.5.2019. Foto: Norbert Michalke/NFTS (Netztwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg)

Aber wir sind immer noch viel zu langsam, denn das zeigen uns neue Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Danach ist im Schlussquartal 2021 im Verhältnis zum Schlussquartal 2020 ein Anstieg der das Klima beeinflussenden Gasemissionen um 8% zu verzeichnen, und im Verhältnis zum Schlussquartal 2019, also zum letzten Quartal vor Beginn der Pandemie mit ihren Folgen, ein Anstieg um 3,5%. Wir befinden uns also statistisch gesehen weiterhin auf Selbstmordkurs. Immerhin ist die Gefahr erkannt. Staatlicherseits wird die Umstellung auf erneuerbare Energien vorangebracht, die Industrie erprobt bereits den Einsatz von grünem Wasserstoff, und in der Mobilität ist eine Trendwende zu Batterie-Fahrzeugen zu verzeichnen. Doch was tut sich in den Haushalten?

Immerhin sind sie im jeweiligen Schlussquartal für die meisten Emissionen verantwortlich gewesen, wie Eurostat mitteilt, im Schlussquartal 2021 mit 22%. der Gesamtmenge. Zwar geht es auch hier durch den vermehrten Einsatz von Wärme-pumpen, Solaranlagen und verbesserter Dämmung voran, doch viel zu langsam. Und wie ein Beispiel aus der Nähe zeigt, können Schwierigkeiten an ganz unerwarteter Stelle. auftreten. In der Mai-Sitzung der BVV hat ein Hausbesitzer im Rahmen einer Einwohneranfrage deutlich gemacht, dass selbst bundespolitisch geförderte Eigenmaßnahmen zur Verbesserung der hauseigenen Klimabilanz vor lokalpolitischen Hindernissen nicht sicher sind. Der anfragende Hausbesitzer hatte dem Bezirksamt die beabsichtigte Installation einer klimaschonenden Solarstrom-Anlage auf dem Dach seines Hauses zur Genehmigung vorgelegt, war vom Stadtentwicklungsamt aber dahingehend beschieden worden, dass die Anlage aus erhaltungsrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig sei. Denn das Haus befindet sich im denkmalgeschützten Erhaltungsgebiet „Gartenstadt Neu-Tempelhof“, unter Einheimischen besser bekannt als „Fliegersiedlung“, die quasi gegenüber dem ehemaligen Flughafen liegt und seinerzeit tatsächlich für die Ansiedlung von Fliegern gegründet wurde.

Der klimabewegte Fragesteller wollte vom Bezirksamt nun wissen, ob denn eine Anpassung dieser hinderlichen Erhaltungsverordnung möglich sei, „um eine effiziente Nutzung bestehender Dachflächen zur Solarenergiegewinnung zu ermöglichen“. Das aber wurde von der zuständigen Stadträtin Schöttler (SPD) in ihrer Antwort verneint: „Die Dachfläche stellt im erhaltungsrechtlichen Sinne einen wesentlich prägenden und damit erhaltenswerten Bestandteil des städtebaulichen Erscheinungsbildes bzw. der städtebaulichen Eigenart der Gartenstadt dar und ist somit schützenswert.“ Zugelassen werden könnten daher nur solche Anlagen, die eine Ziegelreihe unterhalb der Firstlinie und eine Ziegelreihe oberhalb der Gaube endeten. Außerdem seien sie nicht aufgesetzt, sondern als in der Dachfläche liegende Anlage auszuführen. Und das bedeutet betriebswirtschaftlich: Weniger Leistung bei höheren Kosten.

Mit oder gegen Auto

In einer weiteren Einwohneranfrage stand wieder mal die Friedenauer Handjerystraße im Brennpunkt, denn dort soll nach dem Willen der grün-roten Zählgemeinschaft eine Fahrradstraße als Vorzeigeprojekt entstehen. Die seit Jahren vorgesehene Maßnahme scheiterte bislang an der Unterbesetzung der Planungsstellen und an der mangelhaften Zuarbeit der Senatsverwaltung, so hatte es jedenfalls die auch im Streit um dieses Vorhaben aus dem Amt geschiedene Stadträtin Heiß (Grüne) in vielen BVV-Debatten dargestellt. Ihre Amtsnachfolgerin Ellenbeck (Grüne) scheint nun aber kurzen Prozess machen zu wollen. Wie in dieser Zeitung bereits berichtet, ist die vom Fahrradlobby-Verband ADFC in die Bezirkspolitik berufene Stadträtin nicht bereit, sich einem möglicherweise zeitraubenden und die eigenen Vorstellungen belastenden Bürgerbeteiligungs-Verfahren zu stellen. Denn aus der Anwohnerschaft ist Protest laut geworden, weil laut Planung auf einer Seite der schmalen Straße die Parkplätze entfallen sollen, um den Fahrradfahrenden mehr Spielraum zu geben.
Die CDU hatte diesen Protest aufgegriffen und in einer eigenen Erhebung ermittelt, dass zwei Drittel der Befragten gegen eine Fahrradstraße sind, wenn dadurch Parkplätze entfallen, weil es in diesem als Landgemeinde entstandenen Ortsteil in seinen engen Straßen ohnehin zu wenig davon gebe. Die Frage ist also, ob eine angemessene Berücksichtigung der Fahrradfahrenden auch dann möglich ist, wenn die Parkplätze bleiben. Dann könnten zwar nicht mehr zwei Fahrräder nebeneinander fahren, was von den Fahrradfreunden als Gipfel des Fahrvergnügens angesehen wird, aber ist ein Verzicht auf einen solchen Luxus etwa nicht eher zumutbar als ein Verzicht auf Parkplätze für Autofahrer, die auf ihr Fahrzeug aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen angewiesen sind? Schließlich lässt auch der Leitfaden für die Einrichtung von Fahrradstraßen aus der Senatsverkehrsverwaltung andere Lösungen als die von der grün-roten BVV-Mehrheit favorisierte zu.
In ihrer Beantwortung der Bürgeranfrage zur Handjerystraße führte Stadträtin Ellenbeck aus, dass auch flankierende Maßnahmen zur Sicherheit der Fußgänger geplant seien. So seien Querungshilfen an Straßenkreuzungen vorgesehen und durch Fahrradabstellanlagen sollen die Sichtbeziehungen verbessert werden. Erwähnung fand auch das bereits aufgestellte „Dialogdisplay“, das in ihren Worten zur Verkehrsberuhigung beizutragen vermag. Wie eine Mündliche Anfrage von Karsten Franck (AfD) ergab, sind die 13 im Bezirk eingesetzten Displays in der Lage, die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge auf der zufahrenden Spur zu erfassen, doch werden die bei der Straßenverkehrsbehörde gesammelten Daten nicht weiterverarbeitet. Und wie in der Handjerystraße zu beobachten ist, werden die mit angepasster Geschwindigkeit vorüber Fahrenden auf der elektronischen Anzeigetafel mit einem freundlichen „Danke“ verabschiedet, die Unangepassten mit einem „Langsam!“ ermahnt. Und Auswertungen in der Versuchsphase sollen ergeben haben, dass diese Art der Ansprache eher Beachtung findet als die an anderer Stelle angezeigten Geschwindigkeitsgebote.

Wenn also auch das Bezirksamt der Ansicht ist, dass durch geeignete Formen der Ansprache die gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer erreichbar ist, sollte eigentlich auch ein Bürgerbeteiligungsverfahren als erstrebenswert angesehen werden, in dem alle Belange der Betroffenen zur Sprache kommen können. Um ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen, hat sich unter den Anwohnern eine Gruppe gebildet, die nach eigenen Angaben inzwischen 830 Unterschriften gegen den Verlust der Parkplätze gesammelt hat. Sie ist unlängst bereits an einem Info-Tisch der Grünen der Ansicht von der angeblichen Alternativlosigkeit der bestehenden Planung entgegengetreten und will nun die politischen Parteien mit ihren eigenen Lösungsansätzen bekanntmachen.

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