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09.07.2023 / Projekte und Initiativen

Theater der Erfahrungen – Grüne Stars

Von Christine Sugg. Grüne Stars … welch ein Name! Kranke Augen … Alter … aber auch Glamour. Wieviel Assoziationen sind hier möglich!!
Foto: Theater der Erfahrungen

Lange schon hatte ich diesen Namen im Programmheft des Nachbarschaftsheims Schöneberg in Zusammenhang mit dem Theater der Erfahrungen entdeckt … Es sollte ein für alle offenes Workshop Angebot sein. Nach langem Zögern melde ich mich endlich an und wage mich ins Nachbarschaftsheim, um an einem Workshop der Grünen Stars teilzunehmen.
Theatererfahrung hatte ich null, aber ich habe das Jahr davor eine neue Seite an mir entdeckt, ich habe mich trotz reiferen Alters „clownesk“ ausprobiert, was mir sehr viel Spaß machte … Nun also der nächste Schritt, ein Theaterworkshop, eine Art Improvisationstheater, in der Szene kurz „Impro Theater genannt.

Impro Theater bedeutet, dass die Gruppe nicht über eine längere Zeit ein Stück probt, sondern jeder Termin eine Einheit darstellt und mehr oder weniger spontan gespielt wird.
Im großen Saal des Nachbarschaftsheims sind wir ca. 20 Leute, fast alles Rentner, meist Frauen, nur ein Mann. Heute leitet die Theaterpädagogin Petra die Gruppe, sie wird von einer jungen Praktikantin der ALS (Alice Salomon Hochschule) unterstützt. Zwischen der Hochschule und dem Theater der Erfahrungen gibt es übrigens eine langjährige Zusammenarbeit.

Jede Veranstaltung der Grünen Stars ist eine geschlossene Einheit, nur die SpielerInnen wechseln, die meisten jedoch kommen regelmäßig, hin und wieder kommen neue dazu oder alte fehlen aus den verschiedensten Gründen. Kostüme gibt es keine, auch kaum Requisiten.

Zu Beginn des Workshops machen wir kleine Übungen zum Aufwärmen und zum Kennenlernen unserer MitspielerInnen. Wir sollen zum Beispiel unseren Namen mit unterschiedlichen Stimmungen und Bewegungen ausdrücken, also mal traurig oder freudig oder wütend, jeweils mit den entsprechenden Körperhaltungen und die Gruppe muss dann den Namen des Spielers entsprechend nachsprechen … oder wir gehen auf unser Gegenüber zu, nennen dessen Namen mit unterschiedlichen Stimmungen und Bewegungen. Im weiteren Verlauf des Workshops werden kleine Improvisationen zu zweit oder zu mehreren gemacht. Der Rest der Gruppe ist dann das Publikum. So eine improvisierte Situation ist zum Beispiel, dass wir zu viert im Auto fahren, die Identität der Personen, Anlass und Ziel der Fahrt entwickeln sich im Spiel. Dann kommt ein Anhalter hinzu, verkörpert von einem Mitglied des Publikums, der die Fahrenden überreden muss, ihn mitzunehmen. Hat er die Autoinsassen überzeugt, muss die Person, die den Fahrer gespielt hat, aus einem mehr oder weniger logischen Grund aussteigen, der Anhalter setzt sich auf die Rückbank des Autos, der Beifahrer rutscht an die Stelle des Fahrers und die anderen rücken einen Platz weiter. Dann geht es geht in die nächste Runde bis zum nächsten Anhalter.

Ein anderes Beispiel für die Improvisationen ist die Arbeit mit einem Gedicht. Zeile für Zeile des von der Theaterpädagogin ausgewählten Gedichts werden von drei bis vier Mitspielern pantomimisch dargestellt und die Restgruppe, das Publikum, soll den Inhalt des Gedichts erraten … Die Theaterpädagoginnen Petra Newiger und Margherita Vestri sind sehr kreativ und so gibt es ständig neue Übungen und neue Themen.

Die Zeit vergeht wie im Flug. Die Stimmung ist gut, es wird viel gelacht und man vergisst schnell den Alltag … Natürlich bin ich am Anfang aufgeregt, so viele neue Eindrücke und neue Menschen! Die „alten Hasen“ wirken ganz entspannt, doch mit der Zeit werde auch ich lockerer, die fröhliche und freundliche Stimmung trägt dazu bei.

Die Grünen Stars sind nur eine von mehreren festen Theatergruppen des Theaters der Erfahrungen. Allen gemein ist die Tatsache, dass die Spielenden ab 50 aufwärts sind und viel Lebenserfahrung haben. Sie machen mobiles Laientheater und entwickeln ihre Stücke selbst. Das sind dann Geschichten, die das Leben schreibt, mal komisch, mal tragisch … mal provozieren sie, mal regen sie zum Nachdenken an. Das Theater der Erfahrungen umfasst drei Gruppen.  
Die Spätzünder wurden vor 43 Jahren in Berlin-Schöneberg gegründet. Sie sind Deutschlands älteste Seniorentheatergruppe, mittlerweile hat sie noch 10 aktive Mitglieder.
Eine weitere Gruppe nennt sich Bunte Zellen, dies ist eine deutsch-türkische Altentheatergruppe. Der RostSchwung, aus der Theatergruppe OstSchwung hervorgegangen, hat den Schwerpunkt „Mauern überwinden“, zwischen Ost und West, zwischen Alt und Jung.

Die Bezeichnung „Werkstatt der alten Talente“ weist auf die Förderung des Theaterprojekts hin. So wurden gemeinsam mit Berliner Stadteilzentren und Hochschulen wie zum Beispiel der Alice-Salomon-Hochschule neue Spielarten des bürgerlichen Engagements im Kreativ-Bereich entwickelt und Impulse für zeitgemäße Seniorenarbeit geschaffen. Finanzielle Unterstützung kommt vom Senat für Integration, Arbeit und Soziales sowie dem Europäischen Sozialfond und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Insgesamt ist diese Art der Kulturarbeit sehr zu begrüßen. Wo gibt es heutzutage noch so viel Anlass für Spaß und Freude?? Ich bin dabei.

Grüne Stars
Großer Saal im Nachbarschaftsheim Schöneberg
Bei Rückfragen Tel: 030/855 42 06

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