Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

03.09.2023 / Menschen in Schöneberg

Oskar und andere Bekannte

Von Elfie Hartmann. Auf meinem Weg in Richtung Carl-Zuckmayer-Brücke über der U-Bahnstation Rathaus Schöneberg befanden sich an diesem Morgen mehrere Menschen nebeneinander über die Mauerbegrenzung gelehnt. Alle starrten stumm nach unten auf den Entensee. Und es schallte mir sogleich entgegen:„Du kommst gerade richtig!“ Der Ausruf kam von Ferdinand, hier allgemein als bürgerschaftlich Engagierter immer zugegen und über jeden und alles im Kiez bestens informiert.
Ein letzter Blick auf Oskar. Foto: Elfie Hartmann

Er winkte mich also schnell heran, deutete dabei gleichzeitig auf den See. Erklärungen waren nicht nötig, man erkannte mit Schrecken sofort, was geschehen war: Oskar! Unser Oskar, dies ehemals unübersehbare Prachtexemplar von Goldfisch trieb leblos an der Oberfläche. Dieser früher so herrlich rotgold leuchtende Karpfen lag nun, den silberweiß schimmernden Bauch nach oben gekehrt, mittig im See.

Bestürzung am Entensee
Die Bemerkungen von neu hinzukommenden Passanten allein gäben schon Stoff her für eine amüsante Kiezgeschichte. Aber das hier war nicht lustig: „Ach du grooße Sch.....“ war von neu Hinzukommenden zu hören, oder: „ Nein! Dis daaf doch wohl nich waar sein!“ und „ Ach Gott nee aber auch - son Mist!“ Und immer wieder auch: „Oskar, det is Oskar, wa?“
Immer wieder fiel sein Name. Er war also weitaus bekannter, als man zuvor vielleicht annehmen konnte.
Nun fingen die Vermutungen an, wie er wohl zu Tode gekommen sein könnte. „Beschtimmt Plastick jefressen!“ Ein anderer verdächtigte einen der drei farblich gut getarnten Raubhechte, die mindestens doppelt so lang wie Oskar aber etwas schwieriger zu orten sind, ist das Wasser mal leicht trübe. An dem Tag war das Wasser glasklar und sie waren gut zu orten. Vielleicht waren sie es sogar, die sämtlichen Nachwuchs der Enten erbeutet haben, eher wohl aber eine hier im Park gesichtete Fuchsfamilie. Ferdinand berichtete glaubhaft von einer Beobachtung, bei der er erleben musste, dass ein Hecht blitzartig aus dem Wasser sprang und sich ein, das letzte Entenküken vom kleinen Mauersims wegschnappte, auf dem sich die Enten oft ausruhen und schlafen. Und dass die Entenmutter den Hecht sofort verfolgt hätte, sogar heftig bis hin zum Schilfbestand hin attackiert hätte. Vergeblich.

Raubvögel und Raubfische
Ein Bussard wurde auch schon öfter hier gesichtet. War er der Mörder? Aber dann hätte er seine Beute doch besser an sicherem Ort und ungestört verspeist? Die Fachsimpelei nahm kein Ende, immer mehr Leute beugten sich über die Brücke und starrten auf den ehemals immer präsenten, kupferrot leuchtenden Oskar. Und nun konnte man ihn nur noch als weiße Fischleiche herumtreibend betrachten. Unzählige kleinere Goldfische zogen früher in Schwärmen hier herum, doch der gleichfalls hier permanent„ansässige“, scheinbar versteinerte Graureiher hat lange sämtliche kleinere Verwandte unseres heißgeliebten Oskars verspeist. Nur eben den prachtvollen Oskar nicht.

Es wurden allerhand fantasievolle Vermutungen als mögliche Auslöser für seinen Tod geäußert. Doch wurde simple Altersschwäche einstimmig ausgeschlossen.Während weiterhin alles auf den glänzenden, silberweiß schillernden Bauch des nun umgedrehten Goldfisches starrten, passierte etwas Erstaunliches. Und nur unser Faktotum Ferdinand war keineswegs überrascht. Außer, dass immer mal wieder einige Wasservögel ganz nah und neugierig die Fischleiche umkreisten, geschah das Merkwürdige, dass eine wunderschön gezeichnete, tellergroße Schildkröte sich wie aus dem Nichts plötzlich „unserem“ toten Oskar näherte. Wie von Umstehenden sofort zu erfahren war, lebt auch sie schon jahrelang hier im See. Sie versuchte also unermüdlich, auf den erkennbar glitschigen Bauch Oskars zu klettern. Allerdings vergeblich. Wollte sie sich etwa sonnen? Oder hatte sie nur Langeweile? Oder war’s pure Neugierde? Man weiß es nicht, dafür ist jedoch Nachfolgendes sicherlich allgemein bekannt.

Zahme Eichhörnchen und scheue Schwäne
Ein bisschen Natur in der Stadt kann manchmal Menschen zusammen bringen. Und dieser kleine Entensee im Park birgt sicherlich noch andere Geheimnisse. Auf jeden Fall erfreut er seit vielen, vielen Jahren die Bürger aller Altersklassen. Oft kann man bis auf den Grund sehen. Und dann entdeckt man unzählige kleine Fischschwärme. Vom flachen Uferrand aus werden seit Generationen die Wasservögel (trotz Verbots) gefüttert. Und dem zeitweilig anwesenden Schwanenpaar war es wohl etwas zu unruhig hier. Sie sind wieder in den nahegelegenen Park nach Wilmersdorf geflogen, wo sie eine sichere Mittelinsel mit vielen schützenden Sträuchern vorfinden. Dort können sie anscheinend sicher sein, ihre Brut nicht zu gefährden. Allerdings gibt es, parallel angelegt, seit langem den großflächigen Friedhof, auf dem öfter imposante Raubvögel, zahme Eichhörnchen und immer wieder auch Füchse zu sichten sind ...
 
Über Nacht war der ehemals so bewunderte Oskar aus dem Entensee dann verschwunden. Aber noch immer diskutiert man hier und da in kleinen Gruppen. Man kann nur staunen, wie viele Menschen ihn vermissen.

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