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09.07.2023 / Gewerbe im Kiez

Love Letters

Von Christine Bitterwolf. Ist es wirklich nur eine Brieffreundschaft? Oder mehr als Freundschaft? Oder gar Liebe, die große Liebe?
Foto: Christine Bitterwolf

Dagmar Biener und Dieter Hallervorden sind zwei große Senioren-Schauspieler, die als Melissa und Andrew auf der Bühne ihre sehr unterschiedlichen Lebensläufe in Briefen vorstellen. Sie lesen Briefe aus der Kindheit, aus der Zeit als Jugendliche und ihrem ganzen Leben. Die beiden Akteure, die sowohl als Komödianten, als auch als ernsthafte Schauspieler bekannt sind, müssen hier verschiedene Generationen repräsentieren. Gut geleitet werden sie von dem Regisseur Phillip Tiedemann, der schon mehrfach am Schlosspark Theater Regie geführt hat. Man merkt dem Stück an, dass hier ein eingespieltes Team zusammenarbeitet. So können die Beiden nur mit einem mädchenhaften Haarreifen und einer schief aufgesetzten Baseball-Kappe und durch den Ausdruck ihrer Stimmen überzeugend die Kinderbriefe lesen.

Seit ihrer Kindheit sind Melissa und Andrew befreundet, haben zusammen gespielt und auch mal die Frage gestellt “willst du meine Braut werden?“ Aber es ist nie dazu gekommen, irgendwie hat es nie richtig gepasst, oder zumindest schien es so. Doch durch gelegentliche Briefe blieben sie immer verbunden. Es waren kurze Urlaubsgrüße, ausführliche Berichte aus dem Privatleben bis zu emotionalen Ausführungen über ihre Beziehungen, wie sie heute per What’sApp gar nicht möglich wären.
Hier zeigt sich, dass das aus heutiger Sicht sicher antiquiert erscheinende Schreiben von Briefen absolut seine Vorteile hat, weil man sich erstmal über seine Gedanken im Klaren sein muss,  um sie dann gut formuliert schreiben zu können. Folglich ist es richtig, dass Briefeschreiben eine aussterbende Kunst ist.

Andrew berichtet von seinem Studium, von seiner Arbeit als Jurist und seinen ehrgeizigen Erfolgen in der Politik. Melissa erzählt von ihren Erfolgen als Künstlerin, ihrer Familie und ihren Rückschlägen. Daher ist der Titel des Stückes ein bisschen irreführend. Es sind nicht nur Liebebriefe, die schmachtend an die große Liebe des Lebens geschrieben werden. Es sind Briefe voller Vertrauen, die den andern am eigenen Leben, an den Höhen und Tiefen teilnehmen lassen. Anfangs, noch als  Schüler wirbt er tatsächlich um sie, aber sie, die von ihrem Leben gelangweilt ist, möchte lieber um die Welt reisen. Später braucht sie seine Hilfe und seinen Halt, aber ihm ist die berufliche Karriere wichtiger. Wirklich beeindruckend und emotional ergreifend liest Dieter Hallervorden am Ende seinen letzten Brief vor und rührt damit sein Publikum zu Tränen.

Das Bühnenbild ist relativ einfach gehalten. Zwei Zimmer mit jeweils einem Schreibtisch und nicht viel mehr wirken anfangs sehr karg, lassen sich aber im Laufe der Vorstellung sowohl als Kinderzimmer, als auch als Studenten- und Krankenzimmer und als Büro nutzen.

Während Dagmar Biener als Künstlerin in verschiedenen bunten, flatternden Kleidern auftritt, trägt Dieter Hallervorden als Student einen dunklen Hoodie, als Marinesoldat eine schicke Offiziersmütze und als erfolgreicher Anwalt einen mausgrauen Dreiteiler. Die einzelnen Szenen werden mit passender Musik aus der jeweiligen Zeit unterlegt. Der Briefwechsel beginnt etwa in den 30er Jahren.

Ist es ein neuer Trend in unserer Zeit, dass zwischen den Massenveranstaltungen in den großen Hallen und Stadien und auf den Freilichtbühnen plötzlich Theaterstücke mit nur zwei Schauspielern und ganz persönlichen Gefühlen gezeigt werden?
Nach „geliebter Lügner“, einer Korrespondenz zwischen zwei Künstlern, stellen nun Dieter Hallervorden und Dagmar Biener ihr ganzes Leben in Briefen vor. Daneben gastiert Johannes Hallervorden mit zwei ähnlichen Produktionen gelegentlich im Schlossparktheater. In „Corinna und David“ lernen sich zwei junge Leute während der Covid-Quarantäne kennen. In „Gut gegen Nordwind“ entwickelt sich tatsächlich nur durch online-Kontakt eine wunderbare  Beziehung zwischen zwei Menschen, die eigentlich fest in ihrem eigenen Leben verwurzelt sind.

Das Theaterstück „Love Letters“ wird noch bis 11. Juni im Schlosspark Theater gezeigt.

Schloßpark Theater
Schloßstraße 48, 12165 Berlin
https://www.schlossparktheater.de

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