Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

01.05.2023 / Projekte und Initiativen

Johanniter im Einsatz

Von Ottmar Fischer. Seit Putin seinen mörderischen Überfall auf die Ukraine begonnen hat, betreiben die Johanniter u.a. in der rumänisch-ukrainischen Grenzstadt Siret ehrenamtlich ein Logistikzentrum, von dem aus täglich Hilfsgüter zu Menschen geleitet werden, die aus kriegszerstörten Gebieten in sicherere Landesteile geflüchtet sind.
Hilfsgüterverladung für die Ukraine - Foto: Johanniter/Hahn

Immer schon wurde die Welt als gut und böse unterschieden, aber seit Putin mit seinen Kriegsverbrechen in der Ukraine daran erinnert hat, dass es das organisierte Böse auch in unserer Welt tatsächlich gibt, ist uns wieder eingefallen, dass mensch das Böse tatsächlich bekämpfen muss und mitmensch dabei helfen sollte. Seither geraten die Leugner solidarischer Pflichten zunehmend ins Abseits, sogar auf den traditionellen Ostermärschen der Friedensbewegung. Ins Scheinwerferlicht geraten dagegen Aktivisten mit konkreten Hilfeleistungen. Unlängst fiel auf das uneigennützige Helfen sogar der Glanz königlicher Aufmerksamkeit, als der britische König Charles einen Besuch des Erstaufnahmelagers für ukrainische Flüchtlinge in Tegel zusätzlich zum Staatsbankett beim Bundespräsidenten und zu seiner Rede vor dem Bundestag in sein Programm aufnahm.
Wie die Berliner Morgenpost berichtete, hat Charles dabei die Johanniter Unfallhilfe als einen der vier Träger des Vorzeigeprojekts mit seiner besonderen Aufmerksamkeit bedacht. Und das hat seinen bestimmten Grund, wie das im Bericht zu Wort kommende Vorstandsmitglied Björn Teuteberg mitteilte: „Er hat uns wiedererkannt, er konnte direkt was mit uns anfangen.“ Und er klärt auf, dass die Johanniter eine britische Schwestergesellschaft haben, die St. John Ambulance, und die frage regelmäßig wegen der Johannitereigenen Fahrradstaffel an, die vor allem bei Großveranstaltungen zum Einsatz komme. Die Fahrradstaffel habe den Vorteil, dass sie bei großen Menschenansammlungen viel schneller den Verletzten erreiche. Auch bei der Beerdigung der Queen sei sie im Einsatz gewesen, wofür sich Charles nun ausdrücklich bedankt habe.
Und auch das Engagement im Ankunftszentrum habe er gelobt. Auf seinem Rundgang durch die Einrichtung habe er sich bei den Johannitern immer wieder dafür bedankt, wie es in dem Bericht heißt: „Er fragte nach, mal auf Englisch, mal auf Deutsch, wollte wissen, wie der Empfang organisiert ist, sprach mit Geflüchteten über ihr Schicksal, probierte im Freizeitbereich den Kicker aus und spielte – beobachtet von vielen Ehrenamtlichen und Geflüchteten – eine Mini-Runde Billard.“ Ihren Eindruck von dieser Form königlicher Aufmerksamkeit gibt die Leiterin der Johanniter vor Ort mit den Worten wieder: „Das macht uns sehr stolz!“ Sie bekämen oft von Politikern Dank und Lob, „doch dies ist was Besonderes.“

Wenn in unserer Berliner Republik die Anerkennung durch einen Monarchen über „Lob und Dank“ vonseiten demokratisch gewählter Volksvertreter gestellt wird, so kann für die Ehrwürdigkeit der Johanniter als Organisation immerhin auch sprechen, dass sie mit Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld selbst über einen Adligen als Ehrenpräsidenten verfügt.So hat nun mit einiger Verspätung der Adel also  doch noch den Beifall des Volkes gefunden, indem er wenigstens in seinem gewandelten Teil dem Wunsch des Don Carlos aus Schillers gleichnamigem Drama entsprochen hat, worin der Titelheld den Herrscher des spanischen Weltreichs in romantisch entflammten Worten zu Edelmut und Gewaltverzicht auffordert: „Stellen Sie der Menschheit verlornen Adel wieder her ... Wenn der Mensch sich selbst zurückgegeben, zu seines Werts Gefühl erwacht, der Freiheit erhabne, stolze Tugenden gedeihen ...“, dann endlich sei das Königreich zum glücklichsten der Welt gemacht.

Die gute Tat adelt
Bekanntlich ist es trotzdem mit dem glücklichsten Königreich der Welt nirgends etwas geworden. Allenfalls sind etwas weniger unglückliche Länder zu verzeichnen. Das Leiden der Menschen in der konkreten Geschichte ist geblieben, wie der machtsüchtige Herrscher in Russland gerade vor Augen führt, sodass der „verlorene Adel der Menschheit“ aktuell in Tegel durch den Edelmut von Freiwilligen wieder hergestellt werden muss. Was die helfenden Hände der Johanniter betrifft, so gibt das achtspitzige Kreuz in ihrem Wappen Auskunft über die Ehrwürdigkeit von Alter und Motiv, denn es symbolisiert die acht Seligsprechungen aus der Bergpredigt des Erlösers und stammt aus der Zeit lange vor dem Ersten Kreuzzug.

Damals brachen Scharen von Christen aus ganz Europa zu Pilgerreisen nach Jerusalem auf, um durch die Nähe zu den geheiligten Stätten Erlösung von ihren Leiden zu suchen. Viele erreichten das Ziel gar nicht, denn entlang der Pilgerrouten entstand ein blühender Handel mit allem, was unterwegs gebraucht wird. So mancher wurde zum Opfer von Raub und Wucher, andere fanden ihr vermisstes Glück auf der Wanderschaft, viele wurden jedoch krank oder starben gar an den Strapazen. Auch unter denjenigen, die das Ziel erreichten, blieb die Not ein ständiger Begleiter, so dass viele auf barmherzige Hilfe angewiesen waren. Aufnahme fanden sie in einem Hospital, das von Kaufleuten gestiftet und Johannes dem Täufer gewidmet worden war. Der später aus der Spitalbruderschaft hervorgegangene geisliche Ritterorden führte dann den Namen „Orden vom Hospital des Heiligen Johannes zu Jerusalem“. Aus der Blütezeit der Jerusalemer Pilgerfahrt ist der Bericht eines Pilgers namens Johannes von Würzburg aus dem Jahre 1160 erhalten, in dem es heißt:
„... ist ein Hospital angeschlossen, welches in seinen verschiedenen Gebäuden eine Vielzahl von Schwachen und Kranken sammelt, pflegt und wiederherstellt, was einen hohen Kostenaufwand bedeutet. In der Zeit, in der ich selber dort war, betrug, wie ich von den dienenden Brüdern selbst erfuhr, die Zahl der Kranken bis an die zweimal Tausend. Sie waren so schwer von Krankheit geplagt, dass manchmal innerhalb eines vollen Tages mehr als 50 Tote hinausgetragen werden mussten. Aber immer und immer wieder kamen noch mehr hinzu ... Es entfaltete sich eine so unübersehbare Wohltätigkeit dadurch, dass Armen, welche um Brot baten, gegeben wurde, auch wenn sie außerhalb des Hauses blieben.“

Den Bedürftigen zur Seite
Die Johanniter sind bis heute den alten Losungen treu geblieben, auch in Tegel. Hier verantworten sie die zentralen sozialen Dienste. Sie stellen die Gesprächspartner zu allen Fragen rund ums Ankommen, zur medizinischen Versorgungsstruktur, zur finanziellen Absicherung, zu Kita und Schule, zur Arbeitsaufnahme und zu Behörden. Besondere Unterstützung erfahren zudem unbegleitete Jugendliche, traumatisierte Personen oder Menschen mit Behinderungen. Und hilfreich ist bei allem die durchgängig praktizierte „Eins-zu-eins“-Übersetzung in die Muttersprache bei den Gesprächen zwischen Mitarbeitenden und Schutzbedürftigen, was die reibungslose Feststellung der tatsächlichen Bedarfe und deren Weiterleitung an die zuständigen Stellen befördert.

Auch wenn die Berichterstattung aus Tegel ein freundlicheres Bild als das aus dem alten Jerusalem zeichnet, so bleibt doch die aktuelle Not der vor Krieg und Terror geflüchteten Menschen aus der  Ukraine eine Herausforderung auch für die mitfühlend Helfenden, der sie sich unter ihrem altehrwürdigen Wappen stellen. Wollen sie ihre Aufgabe erfüllen, müssen sie wie ihre geistlichen Ahnen in Jerusalem daran glauben, dass die von ihnen praktizierte Nächstenliebe stärker ist als alle Anfechtung. Und weil sie auch Erfahrungen im Katastrophenschutz haben, reicht ihre ausgestreckte Hand noch über Tegel hinaus bis zu Versorgungseinrichtungen in der Ukraine selbst. Seit Putin seinen mörderischen Überfall auf die Ukraine begonnen hat, betreiben die Johanniter u.a. in der rumänisch-ukrainischen Grenzstadt Siret ehrenamtlich ein Logistikzentrum, von dem aus täglich Hilfsgüter zu Menschen geleitet werden, die aus kriegszerstörten Gebieten in sicherere Landesteile geflüchtet sind. Denn die Zahl der Binnenflüchtlinge hat inzwischen die Zahl von acht Millionen überschritten. Mit Unterstützung von rumänischen und ukrainischen Hilfsorganisationen können die Freiwilligen dringend benötigte Lebensmittel, Kleidung, Medikamente und medizinisches Verbrauchsmaterial direkt an die Notleidenden weiterleiten Die Hilfsgüter werden dazu auf Kleintransporter umgeladen, damit die bis zu 20 km langen LKW- Staus an der Grenze umfahren werden können. Durch den direkten Kontakt mit Krankenhäusern, Sozialstationen oder Waisenhäusern kann der tatsächliche Bedarf realistisch eingeschätzt und zielgenau zugeführt werden. Von nur 80 Helfern konnten auf diese Weise bereits über 1.000 t Hilfsgüter versandt werden (http://www. missionsiret.de).

Infos und Kontakte für Helfer und Spender:
www.johanniter.de/ukraine
Johanniter Service Center:
Tel.: 0800 32 33 800
Johanniter Unfallhilfe e.V.
IBAN: DE94 3702 0500 0433 00 Stichwort Ukraine
Johanniter Bundeszentrale: Lützowstraße 94 10785 Berlin
www.johanniter.de/ukraine-hilfe-berlin

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