Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

16.12.2022 / Orte und Plätze

Ferne ganz nah

Von Elfie Hartmann. Zeit zu träumen, sich einfach ein bisschen wegzuträumen, das kann manchmal ja auch ganz real möglich sein. Und sogar noch zu den verschiedensten nahen oder fernen (Reise-)zielen gleichzeitig. Die Gebrauchsanweisung dafür ist schnell deklariert.
Foto: Elfie Hartmann

Auf los gehts los
Vom Bahnhof Südkreuz geht’s zum Beispiel mit der S45, jeweils im Zwanzigminutentakt, direkt nach Schönefeld zum Flughafen Berlin Brandenburg BER “Willy Brandt“, unserem bereits in die Geschichte eingegangenen, sogenannten „Skandal Flughafen“. Weltweit stieß das gesamte Bauvorhaben auf viel Spott, Häme und Unverständnis. Zahlreiche Fehlplanungen und die langsam explodierenden Kosten für die Fertigstellung sorgten für Empörung. Und mit extremer Zeitverzögerung bis zur endgültigen Eröffnung im November 2020 vergingen Jahre. All das kann man im Dokumentationszentrum innerhalb des Flughafens, akribisch in chronologischer Reihenfolge aufgeführt und teilweise fotografisch festgehalten, erfahren. Der interessante Kurzfilm, überwiegend mit Originalaufnahmen der damaligen Transportflugzeuge während der Berliner Blockade im Kalten Krieg ergänzt die Informationen.
Wenn man den ehemaligen Flughafen in Tegel und den in Tempelhof (noch) kennen sollte, könnte man hier vielleicht anfangs von den Ausmaßen dieses neuen Großflughafens leicht überwältigt sein, doch findet man sich bald schnell zurecht, da alles gut ausgeschildert ist. Cafés, eine Apotheke und verschiedene Läden, u.a. für Reisebedarfsartikel, vermitteln über kurz oder lang zusätzlich eine angenehm aufgelockerte Flughafenatmosphäre.

Kleine große Welt
Die Besucherterrasse auf der dritten Ebene entschädigt dann auch sofort für die sicher manchmal gewöhnungsbedürftige technische Ausrüstung überall. Das Personal des BER berät gerne und geduldig, so die eigene Erfahrung. Wunderbar (ent-)spannend ist hier, erstmalig auf einem Berliner Flughafen geboten, ein ausgesprochen edel gestalteter „Raum der Stille“ zu nutzen, ähnlich dem kleinen Raum seitlich des Brandenburger Tores, jedoch hier mehrfach geschickt unterteilt, die Innenausstattung bemerkenswert schlicht und elegant. Dort können Menschen unterschiedlichster Religionen in behüteter Abgeschiedenheit ihr(e) Gebet(e) verrichten oder einfach nur still für sich reflektieren. Ein angenehmer, doch letztendlich undefinierbarer, Duft wirkt dazu beruhigend und setzt sich diskret im ganzen Flughafengebäude fort. Diesen empfindet sicherlich jeder Besucher und Fluggast individuell unterschiedlich - oder auch gar nicht.

So weit das Auge reicht
Inmitten der fast futuristisch anmutenden Besucherterrasse ist am Boden eine Figurengruppe in Bronzeversion zu entdecken. Der bekannte deutsche Bildhauer Karlheinz Biederbick, geb. 1934 in Magdeburg, gestaltete damit den Start eines Europarundfluges im Jahre 1911. Mehrere seiner Arbeiten befinden sich in öffentlichem Raum. Unter anderem auch im Skulpturengarten des Auguste-Viktoria-Krankenhauses in Schöneberg. Sein Kunstwerk auf der Besucherterrasse in Schönefeld befand sich früher schon mal im Flughafengebäude in Tegel.  Das Motiv zeigt die Anfangsstadien der Fliegerei. Titel : „Vor dem Start“. Auf den Start zum Europarundflug im Jahre 1911 wartet in dieser künstlerisch sehr anschaulich gestalterten Szenerie die Mannschaft gerade auf ein Zeichen des Piloten, sein Einmann-Flugzeug in Calais loslassen zu dürfen.
Die gesamte Fläche der Besucherterrasse erscheint einem riesig, ja imaginär nahezu offen. Hier oben nimmt so Mancher, und sei es auch nur unterbewußt, vielleicht ein gewisses Gefühl von eigenem unbemerkten Schweben oder gar ein leichtes Wanken wahr. Es mag der Blick auf die landenden und startenden Flugzeuge sein, die gleich silbrig glänzenden Riesenvögeln im oft so gleißend anmutenden Licht des Himmels visuell zu verfolgen sind. Wie sie völlig zu verschwinden scheinen und andere dafür wieder auftauchen zwischen den in Intervallen glitzernden Wolkengebilden. Ein Zauber, den man zulassen sollte. Die Zeit bleibt stehen. Der Alltag ist ausgeblendet. Die Fantasie geht auf Reisen …

Eigene Stadt, andere Sichtweisen
Wieder zurück und am Bahnhof Südkreuz angekommen könnte vielleicht passieren, dass es einem dann tatsächlich etwas unwirklich erscheint, nicht wirklich verreist gewesen zu sein. Oder doch? Vielflieger werden nun sicher gähnend abwinken, doch ein Tagesausflug zum BER in Schönefeld ist auf jeden Fall und unbestreitbar - klimafreundlicher.

Flughafen Berlin Brandenburg BER “Willy Brandt“
Besuchsadresse:
Betriebsbereich
Nord/Terminal 5
Willy-Brandt-Platz 2
12529 Schönefeld
Tel. 030  60910

Das Dokumentationszentrum ist barrierefrei und auf Ebene 1 zu erreichen. Eintritt frei.
Fotografieren erlaubt. Berührung der ausgestellten Objekte verboten.

Besucherterrasse:
Eintritt 3 Euro pro Person. Vor Ort zahlbar per Scanner oder Barzahlung direkt am Schalter.
Das Ticket ist auch online mit Zeitfenster vorab zu buchen.

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