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03.09.2023 / Orte und Plätze

Der Hof der Templer wird Tempelhof

Von Ottmar Fischer. Als im Zuge der großen Völkerwanderung der ersten Jahrhunderte nach Christus die germanischen Stämme mit ihren Fußtruppen schließlich Entfernungen bis nach Spanien zurücklegten, kam bei ihnen der Gebrauch von Pferden auf.
Tempelritter im Kampf. Gemälde von Janelle Powell.

Aber die dadurch gewonnene höhere Effektivität hatte höhere Kosten zur Folge. Und da die eroberten Ländereien auch verwaltet werden mussten, spaltete sich aus der ursprünglichen Volkseinheit zunächst eine spezialisierte Kriegerschicht ab, und aus dieser wiederum eine spezialisierte Schicht von Verwaltungsbeamten. Die Kosten für Militär und Verwaltung mussten aus dem Ertrag der gewonnenen Ackerflächen bestritten werden. Und diese Kosten wuchsen im Zuge anhaltender Kämpfe beständig an, sodass schließlich für das Pferd allein schon der Wert von 12 Kühen aufgewendet werden musste und für die ständig verbesserte Bewaffnung und Rüstung wegen der teuren Bearbeitung des Eisens sogar der Gegenwert von 33 Kühen anfiel.

Als im 11. Jahrhundert schließlich erstmals das Wort „Ritter“ in einer Beschreibung auftaucht, ist die ursprüngliche Gesellschaft aus gleichen Freien bereits in die Schicht  der Besitzer von großem Grundbesitz und die der darauf abhängig Beschäftigten und der Kleinbauern aufgespalten, in die Schicht derjenigen, die sich den ständigen Krieg noch leisten konnten und derjenigen, die ihn mit dem Ertrag der eigenen Arbeit bezahlen mussten. Dabei wurden neben den inzwischen Besitzlosen auch die noch über Kleinbesitz verfügenden Bauern zu Diensten für die Rittergüter und ansonsten zu Abgaben herangezogen. Bereits in der frühmittelalterlichen Staatsauffassung steht nun der das ganze Land besitzende König an der Spitze, der das noch unbearbeitete Land an verdiente Gefolgsleute verteilt, wodurch das gesamte Königreich am Ende in unterschiedlich großes Grundeigentum aufgeteilt ist und wo die auf dem Grund und Boden der Herren sitzenden Bauern  gleich mitvererbt werden.

Als das eroberte Riesenreich Karls des Großen nach seinem Tode zerfiel, nahm die Entwicklung im „französischen“ Teil einen anderen Verlauf als im „deutschen“. Während hier durch verrechtlichte Verhältnisse zwischen Lehensherren und Lehensnehmern die Herstellung einer relativ stabilen Ordnung gelang, bekriegten sich dort die großen und kleinen Fürsten im Streit um mehr Landbesitz, weil die Macht des französischen Königs lange Zeit auf das Pariser Becken beschränkt blieb und daher keine allgemein verbindliche Ordnung durchgesetzt werden konnte. Der König musste sich vielmehr selbst auf wechselnde Bündnisse einlassen, um wenigstens den eigenen Herrschaftsbereich sichern zu können. In dieser unsicheren Lage gelang es  der Kirchenspitze schließlich, nach vielen Mühen und immer neuen Synoden, den Gedanken des „Gottesfriedens“ wenigstens beim höheren Adel durchzusetzen. Erreicht wurde dieser Fortschritt, indem die Priester nunmehr in eigenen Zeremonien die Schwerter des Adels weihten, was zuvor dem König vorbehalten gewesen war. Dadurch wurde ein Band zu den kirchlichen Zielen des Schutzes der Schwachen geknüpft, der Witwen und Waisen und der Kirche selbst.

Die geistlichen Ritterorden
Beim niederen Adel konnte sich die Gottesfriedensbewegung aber flächendeckend erst durchsetzen, als Papst Urban im Jahre 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief, dem dann noch sechs weitere folgen sollten: „Wendet die Waffen, die ihr in gegenseitigem Morden auf sträfliche Weise blutig gemacht habt, gegen die Feinde des Glaubens und des Christentums!“ Und mithilfe dieser Wegweisung konnten die neu entstehenden Ritterorden sogar zu Vorbildern für die weltliche Ritterschaft werden. Es konnte jene höfische Ritterkultur entstehen, von der wir durch die Troubadours Kenntnis haben, seit Minnesänger wie Wolfram von Eschenbach mit seinem „Parzival“ sie auch in unseren Landen bekannt machten. Der Minnesang verherrlichte die Frau und ihr weibliches Wesen ohne zu begehren, und sein Lobgesang umfasste das ganze christliche Tugendsystem aus anständigem Handeln, Folgsamkeit gegenüber weisen Ratschlägen und der Fähigkeit Hass zu ertragen.

Als die Gottesfriedensbewegung über die Vermittlung des Kreuzzugsaufrufs den gesamten Adel erfasste, fühlten sich davon besonders diejenigen Söhne angesprochen, die über keine eigenen Ländereien verfügen konnten wie die durch das Erbrecht privilegierten Erstgeborenen. Es war zunächst fast ausschließlich die „französische“ Ritterschaft, die sich nun mit vereinter Kraft auf die Eroberung des heiligen Jerusalem richtete, was sogar zur allerdings nicht dauerhaften Etablierung von Kreuzfahrerstaaten führte. Mit der militärischen Sicherung Jerusalems nahm die zuvor unterbrochene Wallfahrtsbewegung einen nie dagewesenen Aufschwung. Das belegt auch eine Flut von Reliquien, die von Palästina mit nach Hause gebracht wurden und oft in den Klöstern landeten. An den Pilgerrouten entstand ein Netz von Herbergen und Spitälern. Auch in Jerusalem selbst mussten die Pilger vor Räubern geschützt, vor Hunger bewahrt und bei Krankheit gepflegt werden. Aus diesem Grund entstanden vor Ort die drei großen geistlichen Ritterorden. Die Johanniter übernahmen das bereits vor den Kreuzzügen gestiftete Spital, von denen der nach dem Ende der Kreuzfahrerherrschaft sich nach Malta zurückziehende Teil seinen Namen „Malteser“ erhielt.

Die Templer dagegen entstanden um das Jahr 1120 ebenfalls als Gründung vorwiegend „französischer“ Ritter, doch war ihr Zweck auf die Durchsetzung von Sicherheit gegründet. Denn auf einer Straße bei Jerusalem war es besonders häufig zu Überfällen auf Pilger gekommen, bis sich einige von den Rittern entschlossen, den Schutz dieser Straße zu übernehmen. Zum Dank wurde ihnen ein Quartier auf dem Gelände des salomonischen Tempels zugesprochen, aus dem nach christlicher Überlieferung Jesus einst die Wechsler und Wucherer vertrieben hatte. Und weil diese anfänglich kleine Gemeinschaft bald regen Zulauf erhielt, wuchsen parallel zu ihren übernommenen Sicherheitsaufgaben auch die Zuwendungen und Stiftungen vonseiten reicher Unterstützer. Daraus entwickelte sich dann der für lange Zeit mächtigste Ritterorden der Geschichte. Noch bevor die Herrschaft der christlichen Ritterschaft im Nahen Osten nach dem letzten Kreuzzug im Jahre 1270 endete und die Aktivisten mit der Reconquista der kastilischen Könige die Vertreibung der Mauren und Juden aus Spanien begannen und mit der entsprechenden Landnahme die Christianisierung des europäischen Ostens durch den Deutschen Orden als dem dritten der drei großen Ritterorden einsetzte, entstand neben den bedeutenden Anlagen der Templer in Frankreich und England im Einvernehmen mit dem brandenburgischen Landesherrn und dem Erzbischof von Magdeburg auch am Fuße des Teltow ein bedeutender Hauptsitz, aus dem mitsamt den zwei Dutzend abgabenpflichtigen Bauernstellen schließlich das heutige Tempelhof wurde. Waren die kampferprobten Ritter in den unsicheren Zeiten der noch wilden Mark für die weltlichen und geistlichen Herrschaften hochwillkommene Stützen für die Sicherheit, so garantierten die Neusiedler mit ihrer Leistungskraft sowohl die Urbarmachung des Landes als auch die auskömmliche Entwicklung der Finanzen sowohl der Tempelherren als auch der übrigen Obrigkeit.

Die Tempelritter bleiben nicht
Im Gegensatz zu Schöneberg, wo die Bauern zunächst dem Nonnenkloster in Spandau abgabenpflichtig waren, bevor sie später dem Landesherrn zugeschlagen wurden, waren die Tempelhofer Bauern von Anfang an dem Rittergut als dem Lehensherrn zu Abgaben und Spanndiensten verpflichtet und wurden von einem Vorwerk aus geführt und verwaltet. Die Burganlage selbst umschloss mit ihren Mauern ein Wohnhaus mit Küchengarten und Stallungen. Und dort stand auch die Kirche, auf deren Grundmauern die heutige Dorfkirche errichtet wurde, die im letzten Krieg zwar teilzerstört wurde, aber denkmalgerecht wieder aufgebaut wurde, sodass sie bis heute einen anschaulichen Eindruck von der  mittelalterlichen Vorgeschichte des Ortes vermittelt. Da sie die größte noch erhaltene mittelalterliche Dorfkirche Berlins ist, kann sie auch ein berufenes Zeugnis davon ablegen, welch bedeutende Rolle die christliche Kirche für den inneren Frieden im Lande durch die Propagierung des Gedankens vom Gottesfrieden und der Heilserwartung in der nahen und doch fernen Zukunft einnahm. Und Streitereien um Land und Leute , um Pachten und Zinsen gab es genug im Lande. Daran beteiligt waren stets auch die Großen der Gegend, die Herzöge von Pommern und von Schlesien, die askanischen und wettinischen Markgrafen, und natürlich auch der Erzbischof von Magdeburg als Ahnherr der Christianisierung des Ostens.

Als der Papst der Christenheit und der König von Frankreich in einer unheiligen Allianz aus Eigennutz die Erfolgsgeschichte des Ordens im Jahre 1312 durch seine Auflösung beendeten, wurde die Untreue des Papstes durch die Perfidie des Königs an Schamlosigkeit noch weit übertroffen, der die 1000 führenden Mitglieder des Ordens in seinem Machtbereich über Nacht verhaften ließ, in Schauprozessen mithilfe frei erfundener Anschuldigungen zum Feuertod verurteilen ließ und ihre im Lande durch Stiftungen und Schenkungen riesenhaft an-gewachsenen Besitztümer und Vermögen in sein eigenes Eigentum überführte. Das Tempelhofer Rittergut fiel zunächst an die Johanniter. Doch mit dem Aufblühen der Städte und dem Auf-kommen der Geldwirtschaft setzten auch die Konflikte mit der Doppelstadt Cölln-Berlin ein,was schließlich im Jahre 1435  zum Verkauf an die Stadt Cölln führte, als auch der Johanniterorden aufgelöst worden war. Die zahlreichen Besitzwechsel seither endeten erst in der gründerzeitlichen Bodenspekulation.

Hinweise für eine Ortsbesichtigung: www.geschichtsgflüster/tempelhof.de
Lektürehinweis: „Die Ritter“ von A. Schlunk und R. Giersch, WBG Darmstadt

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