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Im Blickpunkt

Ein Oratorium für friedliche Nachbarn

 

AUS DEN NACHBARSCHAFTSINFOS 11/09

Der Konzertchor Friedenau und der Shalom-Chor Berlin brachten Anfang November gemeinsam Mendelssohn-Bartholdys „Elias“ auf die Bühne. Das weltberühmte Werk über Glaubensfragen führte zu einer engen musikalischen Kooperation und zur Diskussion der Sänger/innen – auch über ihre unterschiedlichen Religionen hinweg. Mit den Konzerteinnahmen wollten sie ein außerordentliches Dorf in Israel unterstützen, in dem Juden und Palästinenser friedlich zusammenleben.

Die Spende von 2000 Euro aus dem Konzert soll, wie der Konzertchor Friedenau  mitteilte, vor allem den Bildungseinrichtungen des jüdisch-arabischen Dorfs Neve Shalom / Wahat al-Salam zu Gute kommen.

Im Foyer der Universität der Künste, wo das Elias-Konzert stattfand, zeigte der  deutsche Freundeskreis des Dorfes am Tag der Veranstaltung eine Ausstellung zu dem außergewöhnlichen Projekt.

Einen ausführliche Kritik zum Konzert finden sie auf der Internetseite www.friedenau-netzwerk.de

Friedensschule in Israel wird unterstützt

Schon im Jahr 1972 begannen jüdische und arabische Bürger Israels, das Dorf aufzubauen. Es liegt nahe der Autobahn Tel Aviv-Jerusalem oberhalb von Latroun. Die dort lebenden Familien zeigen, dass Juden und Palästinenser in guter Nachbarschaft friedlich zusammen leben können. Sie setzen sich miteinander für Gleichberechtigung und Verständigung zwischen beiden Völkern ein.

In ihrer konsequent zweisprachigen sechsklassigen Grundschule mit Kindergarten und Mittelstufe vermitteln sie Kindern aus dem Dorf und der Umgebung Zugang zu beiden Kulturen und deren Wertschätzung. Das bilinguale Erziehungssystem dient inzwischen als Modell für ähnliche Versuche im Land.

Die "Friedensschule", eine überregionale Bildungsstätte, führt arabische und jüdische Jugendliche und Erwachsene aus ganz Israel und darüber hinaus in Seminaren und Kursen zu Begegnung und Verständigung. Das spirituelle Zentrum bietet zudem einen Rahmen für religiöse, kulturelle und geistige Vertiefung, die zum Einsatz für Frieden und Erziehung zum Frieden führen soll.

Gruppen und Einzelgäste finden im Gästehaus mit Speisesaal und Konferenzräumen Unterkunft, dort gibt es ein reiches Angebot an Bildungsprogrammen. Ein Haus für Volontäre beherbert schließlich junge freiwillige Mitarbeiter/innen aus dem Ausland. Gegen Verpflegung und ein Taschengeld können sie für einige Monate im Dorf mitarbeiten. 

Weit über 100 Beteiligte beim Konzert

Von diesem außergewöhnlichen Projekt, das beweist, dass ein lebendiges Miteinander zwischen den Weltanschauungen selbst im Krisengebiet des Nahen Ostens möglich ist, erfuhren die beiden Berliner Chöre wähend ihrer Probenarbeit. Und diese Probenphase war ohnehin eine neue und besondere Erfahrung für die Sängerinnen und Sänger des Friedenauer Konzertchors. Seit Mai haben sie intensiv  mit dem christlich-jüdischen Shalom-Chor die Gesangspartituren des Elias-Oratoriums einstudiert, in dem es um die alttestamentarische Frage nach dem wahren Glauben geht. Gegenseitige Besuche bei den Probeterminen des jeweils anderen Chores waren an der Tagesordnung. Seit dem Sommer gab es dann nur noch Proben in vollständiger Besetzung, sie fanden im Nachbarschaftshaus in der Holsteinischen Straße statt. Mehr als 70 Laiensänger/innen des Konzertchors waren beteiligt, weitere 20 stellte der Shalom-Chor. Am Sonntag, den 8. November, wurde das Konzert unter der Leitung von Rolf Ahrens im Saal der Universität der Künste aufgeführt. Außerdem wirkten professionelle Gesangssolisten von der Staatsoper Unter den Linden und Musiker/innen des Akademischen Orchesters Halle mit.

Diskussion über Musik und Religionen

Die christlichen, jüdischen, muslimischen und auch atheistischen Sänger/innen beider Chöre hätten sich das Werk „in einem lebhaften Diskussionsprozess überaus engagiert erarbeitet“, lobt der musikalische Leiter Rolf Ahrens. Beide Chöre versammeln all jene Glaubensrichtungen in ihren Reihen, also kann das große Vorhaben auch für ein gelungenes interreligiöses und interkulturelles Projekt stehen. „Unser Shalom-Chor versteht sich ohnehin so“, erläutert Walter Löhr, der dort alle organisatorischen Dinge regelt. Löhr gehört der Baptistengemeinde in der Steglitzer Rothenburgstraße an. Unter diesem Dach wurde die Gruppe von Sängerinnen und Sängern vor fünfzehn Jahren gegründet. Sie nennt sich christlich-jüdische Chorgemeinschaft und singt gewöhnlich synagogale hebräische Musik, aber auch hebräische Volkslieder.

Durch den Tenor Pedro Elsbach, der sowohl im Shalom-Chor wie auch im Friedenauer Konzertchor singt, wurden die beiden Gruppen nun zusammen gebracht.

Wie eine konzertant aufgeführte Oper

Zwei Stunden und zehn Minuten dauerte die Aufführung des Werkes von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Das war, bei aller Ambition in der über 20-jährigen Geschichte des Konzertchors Friedenau, wieder einmal ein hoch gestecktes Ziel, das vorherige Konzertprojekte noch in den Schatten stellte. Der Chorleiter Ahrens bestätigt das: „Der Elias ähnelt doch der konzertanten Aufführung einer Oper, da sind viel längere Gesangspassagen enthalten, als die meisten von uns sie bisher kannten.“ In dem Oratorium sangen die Chöre lange Dialoge, 20 Nummern hatten die Sänger/innen zu absolvieren. Viele Beteiligte brachten die Probenarbeit auf den Punkt: „Echt anstrengend, aber sehr schön.“ „Freundschaften sind entstanden mit dem Shalom-Chor, viele Begegnungen“, sagt Rolf Ahrens. „Ganz nach Art des Konzertchors, der immer Kontakte überall hin herstellen will.“ So hatte es zum Beispiel ein gemeinsames Sommerfest beider Chöre gegeben.

Shalom-Chor richtet Israel-Gottesdienste aus

„Für viele aus unserer Gruppe war dieses eine einmalige Gelegenheit, einmal zu einem großen Chorwerk zu kommen“, sagt Walter Löhr vom Shalom-Chor. „Und der Elias ist doch für jeden Laiensänger die Erfüllung, das höchste Ziel.“ So hatte es auch die Chorleiterin Regina Yantian gesehen und sich dem Projekt gleich mit angeschlossen. Sie unterstützte Rolf Ahrens bei dem Großvorhaben. Regina Yantian arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Organistin in der Synagoge Pestalozzistraße in Charlottenburg und seit fünf Jahren mit dem Shalom-Chor. Viele Initiativen zur Verständigung gehen von dieser christlich-jüdischen Chorgemeinschaft aus, so gestaltet sie zum Beispiel regelmäßige „Israel-Gottesdienste“ in verschiedenen Kirchen in Berlin. Nicht nur bei den freikirchlichen Baptisten, sondern auch in anderen christlichen Gemeinden. Mit dem Kantor der Synagoge Pestalozzistraße, Isaac Sheffer, arbeitet der Shalom-Chor ebenfalls fest zusammen und sieht sich als Bindeglied im religiösen Geschehen der Stadt. Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Berlin begrüßt denn auch das aktuelle Elias-Konzertvorhaben sehr und unterstützt es.

Eine Einführung in das Oratorium Mendelssohn-Bartholdys gab es ebenfalls. Dazu sprach einer der beteiligten Musiker vor interessierten Besuchern und erläuterte etwa den Inhalt und die Entstehungsgeschichte des „Elias“. Es ging darum, wie der Komponist den Stoff aus dem Alten Testament in einem romantischen Oratorium verwoben hat.

Informationen zum Friedensdorf

Sämtliche Aktivitäten und die weitere Entwicklung von Neve Shalom/Wahat al-Salam hängen von der moralischen und finanziellen Unterstützung all derer ab, die von den Zielen dieses Projekts überzeugt sind. Ein Netzwerk von Freundeskreisen in verschiedenen Ländern versendet aktuelle Berichte über die Arbeit des Dorfes und sammelt Spenden.

www.nswas.org