Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

23.12.2022 / Verein

Ankommen in der Nachbarschaft: geflüchtete Menschen aus der Ukraine

Seit Beginn der Kriegshandlungen in der Ukraine sind zahlreiche Menschen nach Berlin geflüchtet. Wie sind sie in ihrer neuen Umgebung angekommen?  Das Nachbarschaftsheim Schöneberg steht mit seiner Arbeit seit Jahrzehnten für Willkommenskultur, nachbarschaftliche ehrenamtliche Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe. Es gab in diesem Jahr viele Möglichkeiten für die Geflüchteten, in Kontakt zu kommen und Zusammenhalt zu erfahren. Eine kleine Rückschau.

Sprach-Café als Einstieg ins Nachbarschaftsheim Schöneberg

Das Sprach-Café wurde als Kultur- und Begegnungsort von einer vielfältigen Sprachlernenden-Gruppe, z. B. aus der Ukraine, Afghanistan, Italien, Spanien, Russland und Syrien, besucht. Teilnehmende, die noch keine Deutschkenntnisse besitzen, wie z. B. neue Zugewanderte aus der Ukraine, sind im Sprach-Café willkommen und werden von den Ehrenamtlichen gut aufgenommen. Oft ist das Sprach-Café ein Einstieg in die vielfältigen Angebote des Nachbarschaftsheims Schöneberg. Die Menschen entdecken auch andere Angeboten für sich, wie z.B. Konzerte oder Wanderangebote.

 

Kultur-Café setzte ein Zeichen für den Frieden

„Wir wollen den Frieden. Das ist die nächste schwere Aufgabe aller, die Menschliches wollen." Dieses Zitat des Schriftstellers und Pazifisten Erich Mühsam war das Motto des Benefizkonzertes am 8.4.2022. Damit setzte das Kultur-Café gemeinsam mit Musikerinnen und Musikern aus verschiedenen Kulturen und unterschiedlicher Genres ein Zeichen für den Frieden. Höhepunkt war ein 12jähriger Junge, der gerade aus der Ukraine geflüchtet war und sein Klavier von dort nicht mitnehmen konnte. Es war ihm eine Freude und ein großes Bedürfnis, an diesem Abend zu spielen. Das Ergebnis des Konzertes waren 1422 Euro Spendeneinnahmen. 1200 Euro gingen an die Ukraine-Hilfe, mit der Restsumme wurde das Ukraine-Café des NBHS unterstützt.

Das Café Ukraine  wurde von verschiedenen Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen ins Leben gerufen und über ein halbes Jahr betreut. Es wurde flankiert durch unterstützende Angebote, wie z. B. Integrationslotsinnen und –lotsen von Harmonie e.V. und telefonischen Ansprechpartnerinnen von Pinel gGmbH. Dieser Austausch führte dazu, dass sich die Geflüchteten aus der Ukraine insgesamt gut aufgenommen fühlen.

Eine sehr engagierte Ehrenamtliche hat im Anschluss eine kleine Sprach-Café-Gruppe für Ukrainerinnen und Ukrainer gegründet. Die Gruppe trifft sich alle zwei Wochen donnerstags, im Nachbarschaftshaus und auch außer Haus, um Ausstellungen zu besuchen oder die Stadt besser kennenzulernen. Es ist auch eine Weihnachtsfeier geplant.

 

Kidöb bietet Kontakt zu Frauen aus vielen Ländern

Über die Teilnahme an den VHS Deutschkursen haben einige ukrainische Frauen zu Kidöb gefunden und auch Beratungsangebote wahrgenommen. Während anfangs die Kommunikation vor allem über Sprach-Apps lief, können sich viele Frauen mittlerweile ganz gut auf Deutsch unterhalten. Da die Deutschkurse von Frauen verschiedener Nationalitäten besucht werden, findet auf diesem Wege eine rege Konversationskultur statt.

 

Mütter und Kinder in der Gemeinschaftsunterkunft vielfach angebunden

In der Gemeinschaftsunterkunft haben die Mütter mit ihren Kindern aus der Ukraine am Anfang Nachhilfe von unseren Ehrenamtlichen erhalten. Solange die Kinder keinen Schulplatz hatten, wurde eine Honorarkraft beauftragt, Deutsch zu lehren. Im neuen Schuljahr hatten alle Kinder einen Schul- und Hortplatz, während die Mütter einen Integrationskurs besuchen. Darüber hinaus nutzen die Kinder im Haus die Kinderbetreuung und bekommen Nachhilfe von ehrenamtlich Mitarbeitenden. Die Mütter sind anfangs häufiger beim Sprachcafé und beim Technikcafé gewesen. Sie und ihre Kinder waren und sind medizinisch und psychosozial angebunden – über die Charité, die spezielle Angebote für Geflüchtete aus der Ukraine eingerichtet hat, und das Mobiles Team, das psychosoziale Expertinnen für Geflüchtete zur Verfügung stellt. Über ein Vereinsnetzwerk bestehen außerdem Hilfsangebote bei der Erziehung, der Versorgung mit Kleidung und Nahrungsmitteln.

 

Stetig wachsender Bedarf beim Cura Vormundschaftsverein

Vor großen Herausforderungen steht der Cura Vormundschaftsverein des Nachbarschaftsheims. Die Zahl der Minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten hat in diesem Jahr stark zugenommen und steigt weiter an. Nicht nur aus der Ukraine, aus Russland oder Kurdistan, Afghanistan oder Syrien und einigen Ländern Afrikas flüchten Menschen ohne Eltern oder Angehörige vor Krieg und Gewalt. Die Rechtssituation der Geflüchteten aus der Ukraine ist sehr viel klarer als für Geflüchtete aus anderen Gebieten. Da sie über gesetzliche Regelungen (Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz) Sicherheit bezüglich ihres Verbleibs in Berlin und darüber hinaus Bewegungsfreiheit innerhalb der EU erlangen, müssen sie sich aktuell nicht mit Abschiebungsängsten beschäftigen. Da der Fluchtweg aus der Ukraine für die meisten der Mündel relativ zügig und sicher verlief, erlebt Cura wenig Ansprache zu Fluchttraumatisierungen. Viele Mündel sind bis vor kurzem in der Ukraine zur Schule gegangen, haben studiert oder ihre letzten Unterrichtseinheiten online absolviert. Sie können hier an ihre schulische Laufbahn anknüpfen. Die Ungewissheit über die Dauer der Kriegssituation lässt viele schwanken, ob sie sich ganz auf das deutsche Schulsystem einlassen oder weiter dem Unterricht in ihrer Heimat folgen sollen.

 

„Wir bringen Dir ab heute Deutsch bei“

Wie viele Kinder in den Schulen angekommen sind, ist von Standort zu Standort sehr unterschiedlich und ist auch abhängig von privat engagierten Einzelpersonen und Netzwerken im Einzugsbereich der Schulen. So gibt es Standorte, in denen nur zwei, drei Kinder aus der Ukraine beschult werden, in anderen sind es bis zu 25 Kinder. Die Einbindung in den Offenen Ganztag hat überall unkompliziert geklappt. Die meisten Kinder wurden in Regelklassen aufgenommen, unterstützt durch temporäre Lerngruppen mit muttersprachlichem Unterricht. Die Hilfsbereitschaft ist enorm, auch seitens der Kinder. In der Scharmützelsee-Grundschule sagten zwei Mädchen aus einer 2. Klasse am ersten Tag zu einem ukrainischen Mädchen: „Wir bringen dir ab heute Deutsch bei“, und lösten dieses Versprechen auch verlässlich ein, indem sie jeden Nachmittag mit ihr zusammensaßen und über mehrere Wochen deutsche Wörter durchgegangen sind. Die Familien zeigen große Dankbarkeit für all die Unterstützung!

In den Kitas des Nachbarschaftsheims sind bisher nur wenige Kinder aufgenommen worden, vermutlich aufgrund des geringeren Anteils dieser Altersgruppe an den geflüchteten Kindern insgesamt. Anfänglich wurden die Kinder als Gastkinder aufgenommen und dadurch auch versichert. Mittlerweile haben sie reguläre Plätze erhalten. Zwei Kindertagesstätten haben durch die Bereitschaft des Teams Kinder aufgenommen, obwohl dies zu einer Überbelegung der Einrichtung geführt hat. Dies wurde von der zuständigen Kitaaufsicht genehmigt. Die Einrichtungen verfügen über langjährige Erfahrung in der Betreuung von Kindern unterschiedlicher Herkunft und Sprache, so dass die Kinder gut eingebunden werden konnten.

 

Russischsprachige Ehrenamtliche eine große Hilfe bei der Kommunikation in der Pflege

Im Hospiz gibt es vermehrt Anfragen. Einige schwer kranke Menschen aus der Ukraine wurden bereits aufgenommen oder ambulant betreut. Die Verständigung gelingt auch hier mittels Sprach-App und ehrenamtlicher Unterstützung. Manche Gäste verfügen über gute Englischkenntnisse, die die Kommunikation erleichtern. Eine russischsprachige Ehrenamtliche hilft entscheidend als Dolmetscherin bei Absprachen mit Pflegenden und Ärzten. Sie unterstützt regelmäßig auch in medizinischen Einrichtungen in Berlin. Ganz besonders erwähnenswert ist ihre Unterstützung einer jungen Frau, die im Sommer mit ihrer Mutter nach Berlin geflohen ist. Sie sind momentan in medizinischer Behandlung. Die Ehrenamtliche ist auch hier wieder Sprachmittlerin, und hat sich darüber hinaus darum gekümmert, dass die beiden Frauen Winterkleidung und Schuhe bekommen.

Es ist dem großen Einsatz der haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden zu verdanken, dass das Nachbarschaftsheim Schöneberg aus der Ukraine geflüchtete Menschen gut aufnehmen und begleiten konnte. Dieser Einsatz wird auch in Zukunft weitergehen. Selbstverständlich ist das Nachbarschaftsheim Schöneberg jetzt und in Zukunft für alle Nachbarinnen und Nachbarn da.