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16.06.2018 / Orte und Plätze

Plitsch platsch plumps

Ein schmückender Brunnen war der von der Friedenauer Bürgerschaft im Zuge der Bürgerbeteiligung mit weitem Abstand am häufigsten genannte Wunsch, als es darum ging, die Ausstattung des Breslauer Platzes im Rahmen der Platzneugestaltung zu bestimmen.
Der von den Berliner Wasserbetrieben abgelehnte Wiener Trinkbrunnen.

Die BI Breslauer Platz hatte sich daraufhin dieses Bürgerwunsches angenommen und mit dem Bezirksamt verabredet, in der Bürgerschaft um Sponsoren für die anfallenden Unterhaltskosten zu werben, während das Bezirksamt die Aufstellung des Brunnens aus Mitteln des Plätzeprogramms des Landes finanzieren konnte.

Doch schon bald geriet das Vorhaben ins Stocken, obwohl die von der BI öffentlich auf dem Platz beworbene Sponsorenliste immer länger wurde. Während die Neupflasterung in Jahresetappen, die Neupflanzung von acht Bäumen im Verlauf einer Saison, die Neuaufstellung nostalgischer Laternen in Monaten, und die Aufstellung des Bankgevierts an den neuen Pflanzenkästen sogar in einem Stück gelang, dümpelte das Brunnenprojekt vor sich hin. Denn es war ein entscheidendes Hindernis  eingetreten: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte ihr Plätzeprogramm für den Bezirk geschlossen, weil bereits zu viele Bezirksvorhaben in der Pipeline waren und bei einer weiteren Be-willigung ein unvertretbares Ungleichgewicht im Verhältnis zu den übrigen Bezirken drohte.

Wann wo wie Wasser
Nun war guter Rat teuer. Aber die Bezirksverordnete Marijke Höppner (SPD) hatte eine Idee. Mit Hilfe ihrer Partei und den Grünen, die beide in Nibelungentreue bis zum heutigen Tage das bislang unvollendete Projekt eines verkehrsfreien Breslauer Platzes unterstützen, geleitete sie einen Antrag bis zum Beschluss in der BVV, demzufolge wenigstens erst einmal ein minimalistischer Trinkbrunnen aufgestellt werden sollte, der sowohl die Wasserversorgung des Wochenmarktes, als auch die Trinkwasserentnahme durstiger Marktbesucher sicherstellen konnte.

Doch leider erwies sich diese Ersatzlösung im Zuge langwieriger Sachaufklärung inzwischen als ungeeignet. Wie die BI Breslauer Platz in eigenen Nachforschungen herausfand, verfügen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) nur über zwei eigene Modelle, die aber nicht wartungsfrei betrieben werden können, keine Wasserentnahme in großen Eimern oder Kannen erlauben, nicht frostsicher sind und auch über kein Bodensiel für die Abwässer des Marktbetriebs verfügen.

Demgegenüber vermag der in Wien hundertfach aufgestellte „Wiener Trinkbrunnen“ all diesen Anforderungen sehr wohl zu genügen, was die BI in direkten Kontakten mit den Wiener Be-treibern ermitteln konnte. Deswegen hat sie sowohl der Verwaltung als auch den BWB diesen Brunnen vorgeschlagen. Doch den lehnen die BWB ab, weil er angeblich nicht europatauglich zertifiziert sei, was aber erwiesenermaßen unzutreffend ist. Immerhin wollen die BWB nun einen eigenen Trinkbrunnen entwickeln, der den Herausforderungen durch einen ganzjährigen Marktbetrieb gewachsen ist. Ob ein derart träger Staatsmonopolbetrieb dazu in der Lage ist, darf nach diesen Erfahrungen wohl zu Recht bezweifelt werden.

Kampf ums Wasser
Für den 23. März hatte Stadträtin Heiß (Grüne) nun zu einem öffentlichen Informationsaustausch ins Schöneberger Rathaus eingeladen, bei dem der aktuelle Stand der Lösungssuche erörtert werden sollte. Und wie nicht anders zu erwarten war, prallten die gegensätzlichen Positionen unversöhnt aufeinander. Während Stadträtin, Verwaltung und BWB übereinstimmend erklärten, es komme nur der BWB-Brunnen infrage, andernfalls gebe es eben gar keinen, begründete Jo Glässel als Sprecher der BI noch einmal, dass bei einem sachlichen Vergleich der beiden Brunnen, der sich ausschließlich an den Ausstattungsmerkmalen orientiere, die Wahl nur auf den „Wiener Trinkbrunnen“ fallen könne, denn einzig der sei marktkonform zu betreiben, frostsicher und wartungsfrei, also auch kostengünstig.  

Danach nahm Marktmeister König das Wort und machte der Versammlung bekannt, dass er auf Wunsch der Markthändler einen von 20 Händlern unterschriebenen Brief an die amtliche Marktaufsicht übergeben habe, worin sie sich gegen den bislang vorgesehenen Standort des Brunnens vor dem zentralen Bankgeviert ausgesprochen hätten. Ein dort aufgestellter Brunnen würde den Marktbetrieb stören und käme womöglich durch rangierende Marktfahrzeuge zu Schaden. Sie unterstützten daher den von BWB und Verwaltung vorgeschlagenen Ersatzstandort unter den Bäumen der Lauterstraße.

In der anschließenden Debatte nahm zunächst die im Publikum anwesende Marijke Höppner (SPD) das Wort. Sie stellte sich hinter die Position der BI und erklärte, dass für sie und ihre Partei nur eine mit der Bürgerschaft abgestimmte Lösung infrage komme. Im Verlauf der Diskussion erwies sich diese Stellungnahme als richtungweisend, denn auch die Fraktionsvorsitzenden der FDP, Reinhard Frede und Rainer Penk für die Grünen, verlangten die Unterlassung von selbstherrlichen Alleingängen der Verwaltung.

In zehn Stellungnahmen aus der Bürgerschaft wurde, über die Diskussion der funktionellen Vor- und Nachteile der Modelle hinaus, der Blick auch auf den ästhetischen und städtebaulichen Aspekt gerichtet. Dabei wurden die BWB-Vorschläge ausnahmslos abgelehnt („Kloschüssel“, „Eimer“). Es müsse eine ästhetisch ansprechende Lösung gefunden werden („Künstlerbrunnen“), die auch eine städtebaulich wünschenswerte Verbesserung der Aufenthaltsqualität bewirke. Einer der Redner kündigte sogar an, angesichts der verwaltungsseitigen Blockadehaltung nunmehr in die BI eintreten zu wollen. Besonders anrührend war die Stellungnahme einer Rentnerin, die bekanntmachte, dass sie sich bereits vor Jahren trotz ihrer finanziellen Beengtheit auf der Sponsorenliste eingetragen habe, weil sie einen schmückenden Brunnen deswegen für dringend wünschenswert halte, da er Abhilfe bei der großstädtischen Vereinsamung schaffen könne, indem er dazu einlade, an seinem Rand beieinander zu sitzen.

Nach neuesten Nachrichten aus Politik und Verwaltung kommt nun das Brunnen-Projekt erstmal auf Eis. Gedacht wird nunmehr an die Schaffung einer Wasserentnahmestelle mit Abwässersiel für den Marktbetrieb, natürlich an der Lauterstraße.

Ottmar Fischer

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