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25.10.2018 / Projekte und Initiativen

Ein Tourismuskonzept?

Eine Pressemitteilung flattert mir auf den Tisch: 1. Tourismuskonzept 2018+ ist beschlossen – Eine fröhliche Angelegenheit - „Visit Berliner Bezirke“; darunter ein Foto der fröhlichen Vertragsschließenden, VertreterInnen der Berliner Bezirke von Köpenick bis Reinickendorf plus Senatorin Ramona Pop von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, und Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler.
Foto: Pressestelle BA Tempelhof-Schöneberg

Alle freuen sich sichtlich wie die Schneekönige und grinsen wie die sprichwörtlichen Honigkuchenpferde über die tolle Leistung, die sie da vollbracht haben: ein großartiges Tourismuskonzept, das sie entwickelt haben – für die Wirtschaft. Nicht umsonst wird als Kontaktperson eine Vertreterin  der Wirtschaftsförderung angegeben. An die Bewohner der Bezirke haben sie dabei nicht gedacht. Stichworte: Rollkoffer, Partyzonen, Ferienwohnungen. Man könnte meinen, ihr Ziel war es, diese Probleme auf die ganze Stadt zu verteilen und damit auszudünnen, Kreuzberg, Mitte zu entlasten.

Partyzonen hätte ja Schöneberg jede Menge anzubieten: den Stadtpark, große Plätze wie den Innsbrucker, Viktoria-Luise, Bayerischen oder den Breslauer Platz, die sogenannten Hotspots, überall, wo die jungen Touristen, die Bierflaschen in der Hand, zwanglos bis zum Morgengrauen “feiern“ können, wie man heutzutage Besäufnisse nennt. Die Bewohner in der Umgebung der Admiralbrücke können seit Jahren ein leidvolles Lied davon singen: wie auf dem „Ballermann“ fühle man sich und müsse sich als Spießer beschimpfen lassen, wenn man Nachtruhe einfordere. Vor 4 Uhr früh gäbe es die nicht. Junge Leute, von als Beschwichtigerinnen eingesetzten Frauen auf dieses Problem angesprochen, zeigen Erstaunen: Nachtruhe? Ja, meine Herren, es ist 4 Uhr! Nachmittags? Nein früh! Oh, tatsächlich...

Die Stadt Cottbus hat ihre eigenen Methoden, mit diesem Problem fertig zu werden. Die haben ihren zentralen Platz mit einem Alkoholverbot belegt, das auch kontrolliert wird – die sogenannte Rote Zone, das aber die Falschen trifft. Studenten gibt es dort nicht, auch keine Touristen. Wer fährt als Tourist nach Cottbus? So werden die einheimischen Trinker und Obdachlosen an den Stadtrand gejagt, wohin sie nun auch ihren Alkohol schleppen müssen; in der Stadt sind die Billig-Alkohol-Geschäfte, da draußen gibt es keinen Wein in Kartons. Und Cottbus hat nun einen Saubermannstatus.

Wollen wir solche Verhältnisse in Schöneberg, in Berlin? Offenbar ja: „Die Potenziale der zwölf Berliner Bezirke sollen in Zukunft  für die nachhaltige Weiterentwicklung des Tourismus nutzbar gemacht werden“ hören wir von der Abt. Wirtschaftsförderung. Und: „Zugleich soll das Bewusstsein für Überlastungserscheinungen und die damit verbundenen Probleme geschärft werden. Vorderstes Anliegen des Konzeptes ist es, die Erlebnisqualität der Gäste im Einklang mit der Lebensqualität der Berliner Bevölkerung zu steigern.“

Das nenne ich die Quadratur des Kreises. Prost!

Sigrid Wiegand

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