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13.10.2021 / Orte und Plätze

Die Geschichte der Familie Schwartz

Von Elfie Hartmann Die Sanierung der Schwartzschen Villa und der Umbau zum Kulturhaus dauerte dreieinhalb Jahre. Unter der Federführung der Architekturwerkstatt Pitz Brenne wurde das Gebäude soweit möglich nach historischem Vorbild wiederhergestellt,
Die Schwartzsche Villa. Foto: Elfie Hartmann

gleichzeitig jedoch den neuen Nutzungsbedingungen und dem Raumbedarf angepasst. Wieder geöffnet wurde die Decke zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoss, sodass der ursprüngliche Gedanke eines Lichthofs wieder umgesetzt werden konnte. Die unter Denkmalschutz stehenden Fassaden wurden weitestgehend wiederhergestellt, fehlende Teile nach historischen Vorbild ergänzt und hinzu kamen zwei erforderliche Bauteile: Ein Aufzug sowie ein Glasdach im Atelier im Dachgeschoss. Am 3. September 1995, genau 100 Jahre nach dem Baubeginn der Villa Schwartz, fand die feierliche Eröffnung des Kulturhauses „Schwartzsche Villa“ statt. Doch von Anfang an:

Der Bankier im Kaiserreich

Carl Albert Schwartz wurde am 23.8.1828 als fünftes und jüngstes Kind einer Berliner Kaufmannsfamilie geboren. Wie sein älterer Bruder trat er in das Bankgeschäft ein und machte rasch als Bankier Karriere. Nach einer Lehre trat er 1852 in das Privatbankhaus Robert Warschauer & Co. ein. Das Bankhaus wurde 1849 als Berliner Dépendance der Königsberger Bank Oppenheim und Warschauer gegründet und entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer der wichtigsten Privatbanken in Berlin. Gemeinsam mit Eduard Veit leitete Carl Schwartz die Bank- und Börsengeschäfte des von Familie Warschauer und Oppenheim geführten Bankhauses. 1884 stieg er zum Teilhaber der Privatbank auf.
Mit dieser Stellung einher ging ein wirtschaftlicher Aufstieg. Als Mitglied der Korporation der Berliner Kaufmannschaft wurde Carl Schwartz in den 1890er Jahren in das Ältestenkollegium der Korporation gewählt, dem die wichtigsten Vertreter der Berliner Wirtschafts- und Finanzwelt angehörten. Die Ältesten der Kaufmannschaft wirkten durch Gutachten und Stellungnahmen auf die Arbeit von Ministerien und Behörden sowie auf Gesetzesvorhaben ein. Zudem dienten ihre wöchentlichen Treffen der Vernetzung und dem Austausch, sodass die Ältesten stets über einen beträchtlichen Informationsvorsprung verfügten. Gerade ohnehin erfolgreiche Unternehmer und Bankiers nutzten diesen Vorteil und vervielfachten ihren persönlichen Kapitalbesitz in der wirtschaftlichen Hochkonjunktur bis zum Ersten Weltkrieg um das vier- bis sechsfache.
Auch Carl Schwartz besaß nach Schätzungen von 1913 ein Vermögen von 11 bis 12 Millionen Mark. Bei seiner Testamentseröffnung im Sommer 1915 wurde der Nachlasswert mit 7.700.000 Mark angegeben.

Das preußische Dorf Steglitz

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war Steglitz ein beliebter Ort für die Sommerfrische. Die verkehrsgünstige Lage an der Landstraße Berlin-Potsdam und an der Eisenbahnstrecke zwischen den beiden Residenzstädten machte das preußische Dorf für Ausflügler attraktiv. Ab den 1870er Jahren wurde es von den Berlinern angesichts stadtnaher und preisgünstiger Grundstücke sowie Steuervergünstigungen zunehmend als Wohnort entdeckt.
Auf dem Grundstück in der Schloßstraße, Ecke Grunewaldstraße, wurde bereits zwischen 1866 und 1871 eine Sommervilla eröffnet: Nach seiner Hochzeit mit Lydia Hermanny ließ der Bankier Wilhelm Maurer (1834-1887) hier die „Villa Lydia“ bauen, die in den folgenden Jahren durch ein Stallgebäude, ein Gewächs- und ein Treibhaus sowie eine Gärtnerwohnung ergänzt wurde. Maurer vergrößerte das Grundstück durch Ankauf eines Teils des angrenzenden ehemaligen Obstgartens der Domäne Steglitz und legte einen prachtvollen Garten an. Nach seinem Tod verkaufte seine Witwe die Villa um 1890 an Carl Schwartz, bei dessen Tochter Gabriele sie 1871 als Taufzeugin fungiert hatte.
Carl Schwartz, der seinen Hauptwohnsitz in der Bellevuestraße in Tiergarten hatte, folgte mit dem Kauf des Steglitzer Grundstückes einem Trend seiner Zeit: Für die Mitglieder der gehobenen Gesellschaft Berlins wurde es ein Muss, einen repräsentativen Wohnsitz in einer der entstehenden Villenkolonien zu besitzen. Die Familie Schwartz nutzte zunächst die bestehende Villa Lydia als Sommerwohnung. 1895 gab Schwartz den Bau einer Villa in Auftrag, die vermutlich nicht nur als Sommersitz, sondern auch als Altersruhesitz gedacht war.
Als Architekten gewann der Bankier Christian Heidecke, (1837-1925), der mit seinen edlen Wohnbauten am Tiergarten zu einem der beliebtesten Villenarchitekten des gehobenen Bürgertums geworden war. Christian Heidecke entwarf für Carl Schwartz zunächst eine Villa im klassizistischen Stil, die seinen Entwürfen für andere Villenbauten am Rande des Tiergartens ähnelte. Geplant war ein zweigeschossiges Gebäude mit einem schiefergedeckten Walmdach. Die stuckverzierten Fassaden waren zunächst eher schlicht gehalten.
Noch vor Abschluss der Rohbauarbeiten wurden von Heidecke Planungsänderungen vorgenommen. Einer Nachtragszeichnung vom 25.3.1896 ist die Errichtung eines Wintergartens auf der Terrasse an der Nord-Ost-Ecke zu entnehmen. Über dem Eingangsbereich an der Südecke und über der Terrasse wurden Balkone angebaut. Eine starke Veränderung war zudem die Erhöhung des Treppenhauses durch einen turmartigen Aufsatz, der vom Dachgeschoss über eine einläufige Treppe erschlossen wurde. Auch die Verzierung der Außenflächen wurde jetzt in aufwändigerer Form ausgeführt.

Das Privatleben der Familie Schwartz

1868 heiratete Carl Schwartz die 1841 in Danzig geborene Kaufmannstochter Maria Noetzel. Das Paar hatte vier Kinder: Charlotte (geb. 1870), Gabriele (geb.1871), Wolfgang (geb.1872) und Martin. (geb.1874)
Mehrere Auszeichnungen dokumentieren das gesellschaftliche Ansehen von Carl Schwartz nach seinem Rückzug in das Privatleben im Jahr 1893: Neben dem Titel des Kommerzienrates, im Kaiserreich das Signum eines erfolgreichen Unternehmers, verlieh Wilhelm II. dem Bankier 1907 den Kronen-Orden Dritter Klasse. Ebenfalls überliefert sind Urkunden über die Verleihung einer Medaille anlässlich des 100sten Geburtstages von Wilhelm I. (1897) sowie einer Denkmünze aus Stahl in Anerkennung seiner Verdienste um die wilhelminische China-Expedition im Jahre 1902.

Wie viele seiner namhaften Zeitgenossen war Schwartz zudem wohltätig aktiv. Über den Carl Schwartz Stiftungsfond setzte er sich für verarmte Kaufleute und deren Familien ein. Der Stiftungsfond war Teil der Friedrich Wilhelm-Viktoria-Stiftung, deren Zweck es war, „erwerbsunfähigen Kaufleuten, hilflosen Kaufmannswitwen und erwerbsunfähigen Kaufmannstöchtern fortlaufende Unterstützung zu gewähren“. Zu diesem Zweck gründete die Stiftung 1882 in der Treptower Elsenstraße ein Asylhaus für unverschuldet verarmte Kaufleute und deren Angehörige, in dem bis zu 36 Personen Unterschlupf fanden. Gabriele Schwartz, die unverheiratete Tochter von Carl Schwartz, wurde in den Kreis der Ehrendamen des Asylhauses berufen und engagierte sich dort, indem sie die Bewohner in der Haushaltsführung und der Kontaktpflege unterstützte.
In Steglitz setzte sich Carl Schwartz als Mitglied des Direktoriums des Friedrichstifts in der Birkbuschstraße 6 für arme Soldatenkinder und verarmte Kinder von Zivilpersonen jedweder Konfession ein. Auch dieses Engagement zum Schutz von Kindern hatte in der Wirtschaftselite des wilhelminischen Kaiserreiches Tradition. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist das „Haus Kinderschutz“ in Zehlendorf, das die Berliner Mäzene James Simon und Franz von Mendelssohn 1899 gründeten.
Carl Schwartz starb am 17. April 1915 im Alter von 86 Jahren in Steglitz. Die Villa Schwartz, die er in den Jahren 1895-97 als Sommersitz erbauen ließ, vermachte er seiner unverheirateten Tochter Gabriele. Seine Tochter Charlotte erhielt laut Testament von 1908 ein Nießbrauchsrecht in der Villa.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges machte Charlotte von diesem Recht Gebrauch und zog 1919 mit ihrer Familie in die Villa. Die Villa wurde umfassend umgebaut, in zwei Etagen aufgeteilt. Im ehemaligen Hauptgeschoss wohnte fortan Gabriele mit ihrer Haushälterin. Im Obergeschoss lebte die Familie von Charlotte. Ein Indiz für die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nach dem Krieg ist die Vermietung der Nebengebäude auf dem Grundstück der Villa Schwartz an Kleingewerbetreibende. Die Vermietung von Stall- und Wagenremise an Autoreparaturwerkstätten zeigt, dass die Familie auf zusätzliche Einnahmen angewiesen war. Zudem wird deutlich, dass schon längst kein großer Haushalt mehr geführt werden konnte und auf Pferd und Wagen oder Automobil verzichtet wurde.
Die drei Schwartz-Kinder Charlotte, Gabriele und Wolfgang überlebten den Zweiten Weltkrieg nicht. Charlotte starb 1942, Gabriele und Wolfgang kamen in den letzten Kriegswochen 1945 ums Leben.
Die unterschiedlichsten Nutzungen der Villa nach 1945 bis heute können in der umfangreichen und akribisch vom Archiv-Fachbereich Kultur Steglitz-Zehlendorf recherchierten und hier teilweise übernommenen, bebilderten Dauerausstellung im lichtdurchfluteten Obergeschoss weiter verfolgt werden.
Die Schwartzsche Villa ist heute ein allseits bekannter und sehr beliebter Kulturort in Steglitz, in dem permanent unterschiedlichste Ausstellungen stattfinden sowie Lesungen, Podiumsdiskussionen oder auch überwiegend anspruchsvolle Musikdarbietungen. Dazu befindet sich im Untergeschoss eine von „Mosaik“ betriebene Restauration, die auch im Gartenbereich bei nahezu jedem Wetter gut besucht ist. Gern werden zusätzlich Bestellungen für offizielle Feste oder auch private Feierlichkeiten entgegengenommen.
Bitte informieren Sie sich vor dem Ausstellungsbesuch über die notwendigen Anmelderegelungen über die Webseite.
www.kultur-steglitz-zehlendorf.de

Tel. (030)90299 -2302
Schwartzsche Villa
Grunewalstraße 55, 12165 Berlin
Mo-So. 10-18 Uhr. Eintritt frei.

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