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08.07.2018 / Menschen in Schöneberg

Der Stellenaufbau stagniert

Einmal im Jahr lädt die Bürgermeisterin zu einer Pressekonferenz, um Rückschau und Ausschau zu halten. Dann haben die Journalisten bei Häppchen und Wein Gelegenheit, einmal selbst zu jenen Punkten nachzufassen, wo aus ihrer eigenen Sicht Unklarheiten bestehen.
Lang ist’s her: Jugendamtsfest auf dem Breslauer Platz im Mai 2011. Foto: Thomas Protz

Sie sind aber auch nicht schlauer als die gewählten Bezirksverordneten oder die Fragesteller aus der Bürgerschaft, können wir unseren Lesern berichten, denn ihre eigenen Nachfragen betreffen exakt die gleichen Problemlagen, die auch in der BVV behandelt werden.

So wollten die versammelten Journalisten u.a. gerne wissen, wie es denn nun tatsächlich mit dem seit der Haushaltssanierung angekündigten Stellenaufbau in der Verwaltung vorangeht, um die während der Sparperiode angesammelten Defizite abzubauen. Und tatsächlich konnte Bürgermeisterin Schöttler (SPD) für den Bereich der Bürgerämter vermelden, dass die Ziellinie in greifbare Nähe gerückt sei. Von 18 zusätzlichen Stellen seien zwar 10 noch unbesetzt, doch habe der Stellenaufwuchs bereits jetzt dazu geführt, dass „tagesaktuell oder mit einem Tag Wartezeit in einem Bürgeramt des Bezirks Termine zu erhalten“ seien. Die dazu erhobenen Stichproben fielen allerdings in die nachfrageärmere Vorfrühlingszeit, und je näher die Urlaubsmonate rücken, umso stärker dürften die Wartezeiten wieder zunehmen.

Besonders problematisch ist die Lage allerdings nach wie vor in den Bereichen Jugend, Soziales und Gesundheit. Das aber hängt daran, dass der Aufgabenumfang schneller wächst als der Stellenaufbau gelingt. Denn der hängt einerseits an nicht vom Bezirk zu beeinflussenden Formvorschriften und inhaltlichen Vorgaben, andererseits aber auch an der Konkurrenzsituation mit höher dotierten Angeboten der Länder und des Bundes. Und beides zusammen führt dann dazu, dass „geeignetets Personal trotz intensiver Ausschreibungen nicht immer ausreichend und zeitnah zu finden ist,“ so die Bürgermeisterin mit bedauerndem Blick in die Runde. Gelang im Gesundheitsamt innerhalb eines Jahres ein Aufwuchs von 106 auf 111 besetzte Stellen (offen: 15), erreichte das Sozialamt nur eine Verbesserung von 190 auf 193 (offen: 29). Das Jugendamt stagnierte sogar bei 269 Positionen (offen: 39).

Die Schuldfalle

In der Mai-Sitzung der BVV richtete die FDP nun in einer Großen Anfrage den Blick exakt auf diese offene Wunde im Jugendamt, und da besonders auf die fehlenden Frontsoldaten des Regionalen Sozialen Dienstes (RSD). Die Sozialpädagogen des RSD seien „die Hände und die Füße des Jugendamtes, welche die Arbeit vor Ort bei den Menschen erledigen sollen“, so Fraktionschef Frede in seinem Debattenbeitrag, doch seit mehr als einem Jahr bleibe jeweils eine Woche im Monat die amtliche Tür verschlossen, um wenigstens die bestehenden Fälle bearbeiten zu können, „selbst die Krisenintervention kann nicht mehr zuverlässig wahrgenommen werden.“ Die unübersehbare Not im Amt könne aber nicht ausschließlich auf außeramtliche Ursachen für die  Unterbesetzung zurückgeführt werden. Vielmehr müsse der Aufwand für die Falldokumentation verringert werden, die Probleme mit der eingesetzten Software müssten gelöst und die Besetzungsverfahren beschleunigt werden. Doch dazu fehle es an klarem Führungswillen.

In seiner Beantwortung der FDP-Anfrage „Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Jugendamt“ wusste sich Jugendstadtrat Schworck (SPD) dahingehend zu verteidigen, dass der RSD infolge eines rasanten Stellenaufwuchses von 64 auf 84 Stellen seit 2014 über die meisten Stellen aller Bezirke verfügen würde, wenn sie denn schon alle besetzt wären. Aber auch im Ranking der besetzten Stellen nehme der Bezirk bereits jetzt einen mittleren Platz 6 ein. 12 Stelleninhaber hätten zudem das Jugendamt verlassen, weil sie andere Chancen wahrgenommen hätten. Ein wichtiges Hindernis beim Lückenschluss stelle außerdem die unterschiedliche Vergütung für vergleichbare Tätigkeiten in Bund, Ländern und Kommunen dar. Neben der Angleichung der Tarife würde aber auch die Anerkennung der Berufsausbildung anderer Bundesländer hilfreich sein, weswegen sich der Bezirk gegenüber dem Land auch dafür einsetze. Doch diesbezügliche Entscheidungen könne nun mal nur das Land Berlin treffen.

Augen geradeaus!

Die eigenen Anstrengungen richteten sich daher auf „alle Instrumente der Nachqualifizierung, der dualen Ausbildung, der Gleichstellung und Fortbildung für Quereinsteiger_innen mit anderen pädagogischen Abschlüssen und entsprechenden Praxiserfahrungen.“ Auch werde bei Neueinstellungen die gehaltswirksame Gewährung von Erfahrungsstufen angewandt, wenn das individuelle Prüfergebnis dies rechtfertige. Er selbst als der politisch verantwortliche Stadtrat stelle sich ausdrücklich hinter die Jugendamtsleitung und ihre Bemühungen, allen Neuankömmlingen sämtliche Bereiche des Jugendamtes vorzustellen. Für besondere Aufgabenbereiche habe sie dazu sogar Seniorberater_innen gewinnen können. Und es gebe im Hause eine eigene Fortbildungsreihe „Neu im Jugendamt“.

Zur Frage, warum den Mitarbeitern des Jugendamtes keine „Dienstfahrscheine“ mehr zur Verfügung gestellt werden, teilte Stadtrat Schworck mit, dass die Kosten für notwendige Dienstfahrten nach einer Beanstandung des Rechnungshofes seit 2004 im Wege der Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes erstattet würden, also als Einzelwege. Aber nicht beantwortet wurde von ihm die Frage, warum es nicht wie in anderen Bezirken „zur Festigung der Gemeinschaft“ Grillabende gebe. Er habe von einer Beantwortung abgesehen, lautete die Erklärung, um der BVV eine übermäßige Beanspruchung der Sitzungszeit zu ersparen, denn die Geschäftsordnung schreibe für Große Anfragen nicht ohne Grund vor, die Zahl der Einzelfragen auf acht zu beschränken.

Solche Sticheleien im Umgang der politischen Parteien miteinander haben für die Beobachter naturgemäß ihren eigenen Reiz. Doch geht den Kontrahenten um die Gunst der Wähler mitunter auch das rechte Maß verloren. So musste in der Mai-Sitzung gleich zweimal der Ältestenrat zur Streitschlichtung einberufen werden. Und ob der Stadtrat für Jugend, der gleichzeitig auch für Schule und Gesundheit zuständig ist, nun gleich überfordert ist, wie von FDP und CDU behauptet, weil es gleichzeitig in allen Verantwortungsbereichen Probleme mit der Stellenbesetzung gibt, darf wohl zu Recht in Zweifel gezogen werden, zumal die Lage in den anderen Bezirken auch nicht besser ist.

Ottmar Fischer

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