Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

02.03.2021 / Menschen in Schöneberg

Das Virus und das Seniorenheim

Von Ottmar Fischer. Dreißig Exemplare unserer Stadtteilzeitung werden jedes Mal ins Evangelische Seniorenheim Albestraße geliefert. Dort wohnt seit dem vergangenen Jahr unser langjähriger Leser Ewald Mahr, der sich darüber freut, dass er auch an seinem neuen Hauptaufenthaltsort nicht auf unsere Zeitung verzichten muss.
Ewald Mahr unterwegs zur Stadtrundfahrt mit dem Transporter. Der Mann in Rot ist Gregor Mann. Foto: Jo Glässel

Nun gehören die Seniorenheime zu den von den Belastungen durch die Pandemie besonders betroffenen Einrichtungen, denn anders als die Gaststätten können sie nicht einfach geschlossen werden, um Übertragungsmöglichkeiten zu begrenzen. So mussten hier neben der an sich schon beunruhigenden Schutzkleidung für das Personal auch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für die Bewohner im Hause selbst verfügt werden, um in begründeten Verdachtsfällen eine mögliche Virus-Verbreitung zu verhindern. Und darüber hinaus mussten nicht nur alle Veranstaltungen abgesagt und Zusammenkünfte vermieden werden, ausgerechnet zur Weihnachtszeit mussten auch noch die Besuche von außen unterbleiben, um dem Virus keine Chance zu lassen. Doch inzwischen ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Die Infektionszahlen in der Gesamtgesellschaft sind rückläufig, und auch das Leben im Seniorenheim tastet sich in eine wenn auch noch eingeschränkte Normalität zurück. Wir haben daher  einmal nachgefragt:

Wie ist jetzt die Stimmung im Hause?
Ewald Mahr: Positiv! Wir 108 Senior_innen werden hier rund um die Uhr aufopferungsvoll von fünfzig Betreuungsschwestern und männlichen Helfern versorgt. Sie kommen bei Bedarf und auf Wunsch ins jeweilige Einzel- oder Doppelzimmer. Auch an meinem Rollstuhl ist ein Rufknopf angebracht. Es mag einzelne geben, denen es nie recht zu machen ist. Und einige mögen zu depressiven Stimmungen neigen, insbesondere dann, wenn sie keinen Besuch bekommen, oder wenn sie kein Telefon zur Kontaktaufnahme mit der Außenwelt benutzen können. Schade ist auch, dass noch keine Veranstaltungen wieder erlaubt sind. Umso bedeutender ist für uns hier die bewunderungswürdige Einsatzbereitschaft der Hilfskräfte. Es sind „Heldinnen“, die zu Recht eine staatliche Geldprämie erhalten.

Gibt es weiterhin Verhaltensvorschriften?
Ewald Mahr: Die aktuellen Verhaltensregeln werden strikt eingehalten. Dazu gehören der obligatorische Mundschutz, Kittelpflicht für an Corona erkrankte Personen, Warnhinweise an den Türen erkrankter Personen. Es gibt eine Eingangskontrolle durch uniformierte Bundeswehr-Soldaten, die auf den Mundschutz und die Desinfektion der Hände bei den Besuchern achten und die auch die Besucherliste führen, so dass für den Fall einer Infektion jederzeit eine Rückverfolgung möglich ist.  Da immer noch ein striktes Abstandsgebot gilt, werden auch die Mahlzeiten einzeln auf den Zimmern eingenommen. Ich wurde inzwischen zweimal von Bundeswehr-Soldatinnen in meinem Zimmer geimpft. Ein toller Service!

Gibt es Wünsche für die Zukunft?
Natürlich sind wir alle froh, wenn die Pandemie endlich vorbei ist, auch die Mitarbeiter_innen. Ich selbst habe mich aber trotz der auferlegten Beschränkungen in dieser Zeit nicht isoliert gefühlt. Das mag daran liegen, dass ich jederzeit über Telefon oder Internet Kontakt nach draußen aufnehmen konnte. Auch Nachrichten aus aller Welt konnte ich jederzeit über Hörfunk oder Fernsehen erhalten. Zudem bringt mir mein alter Gefährte Jo Glässel von der BI Breslauer Platz täglich die FAZ oder MoPo vorbei. Und besonders hat mich neulich erfreut, dass er aus Anlass der öffentlich bekanntgemachten Übergabe des neuen Kleinbusses an das Heim auch noch den weiteren BI-Gefährten Gregor Mann mitgebracht hat. Alte Bekannte sieht man halt gern mal wieder, auch wenn dabei Maskerade und Abstand Pflicht bleiben. Und einen Ausflug mit dem auch für Rollstuhlfahrer ausgelegten Transporter habe ich mit vier weiteren Heimbewohnern inzwischen auch bereits unternommen. Auf einer zweistündigen Rundfahrt durch die Berliner Mitte war für mich bewegend zu erleben, wie menschenleer die Straßen durch Corona geworden sind. Mir kam das vor wie in einem Film von Ingmar Bergmann. Wenn endlich auch die kulturellen Einrichtungen wieder öffnen, ist mein nächstes Ausflugsziel die Besichtigung des wieder aufgebauten Stadtschlosses. Darauf freue ich mich.

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