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10.07.2018 / Orte und Plätze

Baustelle Schöneberger Rathaus

Am 30. Mai war offene Tür auf der Wander-Baustelle im Schöneberger Rathaus. Bürgermeisterin Schöttler (SPD) hatte die Presse zu einem Rundgang geladen, um den aktuellen Stand der seit fünf Jahren laufenden Sanierungsmaßnahmen vorzustellen.
Fotos: Thomas Protz

Viel ist bereits geschehen, und auch in der zweiten Hälfte sind noch einmal viele Probleme zu lösen. Denn das ehrwürdige Haus ist schon hundert Jahre alt. Trotz gewaltiger historischer Umwälzungen mit dementsprechend zahlreich erfolgten Umbauten und trotz der Verluste durch die Kriegsschäden ist viel historische Substanz erhalten geblieben. Und die wird im Gegensatz zur früher praktizierten, eher umstandslosen Bedarfsanpassung inzwischen derart wertgeschätzt, dass es zu erheblichen Konflikten mit den Anforderungen an eine modern aufgestellte Verwaltung und den veränderten Rahmensetzungen durch gesetzliche Vorschriften des Arbeitsschutzes und des Brandschutzes gekommen ist.

So bewege sich der Baufortschritt bislang zwar nicht im gewünschten Zeitrahmen, aber die Kosten habe man im Griff, so die Bürgermeisterin. Dies sei vor allem der Qualität des 2011 erstellten Gutachtens und der Tatsache zu verdanken, dass die darauf fußenden Masterpläne in organisierten Abschnitten miteinander verknüpft und strikt eingehalten worden seien. Selbst die einjährigen Auseinandersetzungen um die Vereinbarkeit der einander widersprechenden Anforderungen aus dem denkmalpflegerischen Begleitplan und den aktuellen Brandschutzvorschriften habe die bei laufendem Betrieb durchgeführten Baumaßnahmen nicht aus dem Zielplan werfen können, wohl aber Zeit gekostet. Inzwischen seien aber alle einstigen Kontrahenten mit den gefundenen Sonderlösungen versöhnt. Und da somit die Hauptkonfliktpunkte ausgeräumt seien, drohten auch für den Zeithorizont nun wohl keine neuen Belastungen mehr, es sei denn, es tauchten neue Überraschungen auf wie bei der Renovierung der noch aus der Entstehungszeit stammenden Ausstellungshalle im Erdgeschoss, deren tonnengewölbtes Glasdach darauf hinweist, dass es sich hier eigentlich um einen Anbau im Innenhof handelt.

Der Denkmalschutz

Hier wurden in der nüchternen Nachkriegszeit auch jene Schmuckelemente weiß überstrichen, die einst die Zwischenräume über den gliedernden Rundbögen an den langen Seiten zierten. Da die Denkmalpflege in mehrfach veränderten Räumen immer vor der Frage steht, welche der historisch gewordenen Perioden denn nun ab-gebildet werden soll, war auch hier eine angemessene Entscheidung zu finden. Und die orientierte sich an der für das gesamte Sanierungsverfahren verabredeten Lösung, mithilfe vorhandener Bauunterlagen alle Farbschichten und Baustoffe über bauhistorische Musterbereiche wieder sichtbar zu machen, ohne den einheitlichen Gestalteindruck zu stören. Daher wurden hier auch nicht alle unter den Farbschichten gefundenen Embleme wiederbelebt, sondern als Beispiel für alles der Pegasus der griechischen Mythologie, jenes geflügelte Pferd also, das der Sage nach dem Helden bei seinem Sieg über die abgründige Chimaira half und bis in unsere Zeit als Helfer der Dichtkunst in symbolischem Ansehen steht.
Möglicherweise hat das Dichterross an dieser Stelle nicht nur die Redner bei der ersten Sitzung der Stadtverordneten im neuen Rathaus am 25.03.1914 inspiriert, sondern seine geistigen Flügel auch dazu hergegeben, jenen Goldenen Hirschen von August Gaul in dieser lichten Halle aufzustellen, der heute auf der Stele im Brunnen des nahen Stadtparks stumme Klage darüber führt, dass die stolze und kunstsinnige Bürgerstadt ihre Selbständigkeit bereits 1920 durch die Eingemeindung nach Groß-Berlin verlor. Immerhin blieb diese Ausstellungshalle während der Weimarer Zeit ein Ort großer Kunstausstellungen, nachdem die Verordneten in ihren noch heute als BVV-Stätte genutzten Sitzungssaal umgezogen waren.

Brandschutz und Arbeitsschutz

So klug also das geflügelte Pferd als Erinnerungsstück für die Entstehungszeit des Rathauses gewählt wurde, so sinnig ist die Anordnung der Sprinklerdüsen für den Brandschutz in der Brandenburghalle im 2. Obergeschoss. Bekanntlich richtet das zur Brandbekämpfung eingesetzte Löschwasser oft noch mehr Schäden an als das bekämpfte Feuer selber. Zur Vermeidung solch zusätzlicher Schäden ist also der rechtzeitige und wohldosierte Wassereinsatz von großer Bedeutung. Um zu vermeiden, dass die dreißig im oberen Teil der Halle umlaufenden Fresken mit landschaftlichen und städtischen Motiven der Mark Brandenburg Schaden nehmen, sind die Wassersprinkler daher nicht an der Decke, sondern an den Wänden angebracht. Und zwar eine obere Reihe zwischen den Bildern ohne Seitenstreuung, die untere dagegen mit kräftiger Breitenwirkung, und die gegenüberliegende Reihe an der bilderfreien Seite mit einer flächendeckenden Wirkung, bei der die Bilderwand außer Reichweite bleibt. Zum Brandschutzkonzept gehört auch die Eingrenzungsmöglichkeit von Feuer durch Brandschutztüren, die im Ernstfall ganze Flügel voneinander abschotten sollen. Hier hat die Durchsichtigkeit einer dreifachen Sicherheitsverglasung der zusätzlichen Türen am Ende auch die Denkmalschützer zur Zustimmung bewegen können.
Die automatischen Brandmelder haben ihre Funktionstüchtigkeit sogar schon beweisen können. Und zwar bei der Sanierung der Büros, von denen es 480 im Hause gibt, von denen bis zum jetzigen Zeitpunkt 200 bereits saniert werden konnten. Da bei der Sanierung des Hauses auch der Arbeitsschutz eine wichtige Rolle spielt, haben die einzelnen Organisationseinheiten eigene Versorgungsmöglichkeiten erhalten, wurden die asbesthaltigen Heizungsummantelungen entfernt und die bleihaltigen Farbanstriche der Fenster ersetzt. Dazu wurden die Fenster ausgebaut, im Hof abgeschliffen und anschließend wieder eingebaut. Doch das Abschleifen hatte eine derartige Staubwolke zur Folge, dass die Rauchmelder Alarm auslösten und die Feuerwehr anrückte.

Die Modernisierung

Ein weiterer Aspekt der Sanierung ist die Ertüchtigung des Hauses für die Anforderungen durch die Digitalisierung der Verwaltung. Zwar wurde das Haus als erstes Verwaltungsgebäude überhaupt  bei der Übernahme durch das Bezirksamt, und dem gleichzeitigen Ende als Regierungsgebäude West-Berlins nach 44 Jahren, mit einer strukturierten Verkabelung versehen. Doch in den 25 Jahren seither hat sich durch den Einzug des Computers auch in die Büro-Kommunikation viel verändert. Wie der auf der gesamten Führung mit fachkundigen Erläuterungen glänzende Amtsleiter der Dienstgebäude-Verwaltung (neudeutsch: Facility-Management), Herr Garske, zu bedenken gab, seien 25% aller Hausbrände durch überforderte Elektro-Leitungen verursacht. Die Vernetzung des gesamten Hauses mache daher auch die Anpassung der elektrischen Installationen an die angestrebte IT-Leistung erforderlich. Als sichtbares Zeichen für den Umfang der neuen Kapazitäten ragen aus den zur Zeit in Arbeit befindlichen Wänden dicke Kabelbündel mit den noch nicht verknüpften Leitungen hervor.

Zum Abschluss machte Baustellenführer Garske auf einen Treppenwitz der Geschichte aufmerksam, dokumentiert auf einem Gemälde: Wie die Begrüßung, fand auch die Verabschiedung der Journalisten im Goldenen Saal statt, einem der zur Entstehungszeit prächtigsten Versammlungsräume, in dem zur Zeit des Kalten Krieges viele Besucher der Stadt sich in das Goldene Buch eintrugen. Zwei Jahre vor dem Fall der Mauer und aus Anlass der 750 Jahrfeier der Stadt malte Matthias Koeppel für den damals als Sitzungssaal des Senats genutzten Goldenen Saal im realistischen Stil der Neuen Prächtigkeit zwei die gesamten Schmalseiten einnehmende Wandbilder, die dort auch heute noch zu sehen sind. Eines davon zeigt den damaligen Regierenden Bürgermeister Diepgen mit den damaligen Abgeordneten bei einer Ortsbegehung auf dem Ödfeld vor dem in der Ferne im Abendrot leuchtenden Preußischen Landtag, wo nach der Wiedervereinigung das Abgeordnetenhaus seinen Sitz genommen hat, und zu sehen ist auch die Mauer. Doch einzig die Abgeordneten der Alternativen Liste sind auf dem Bild auf deren Wunsch nicht identifizierbar. Die Vorläufer der heutigen Bündnisgrünen wollten damals mit einem strikten Kurs gegen jede Art von Personenkult ein Zeichen für eine ausschließlich der Sache dienende Demokratie-Kultur setzen. Doch der sich der historischen Wahrheit verpflichtet fühlende Maler fand einen Ausweg: Er malte für die Verweigerer einen Igel in das Ödfeld, das damalige Emblem der noch jungen Grünen. Kinder, wie die Zeit vergeht!

Ottmar Fischer

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