Zur Orientierung für Menschen mit Behinderungen

07.10.2020 / Menschen in Schöneberg

„AHA!“ - Schulalltag in Coronazeiten

Maria Schinnen. Abstand - Hygiene - Alltagsmasken, „AHA“ heißt das einfache Gebot der Bundesregierung, auch für die Schule.
Foto: Maria Schinnen

Am 10. August startete das neue Schuljahr in Berlin und mit ihm wieder der Präsenzunterricht. Zuvor hatte der Senat einen Hygienebeirat gegründet, in dem  Wissenschaftler, Mediziner, Schulexperten, die Bezirksverwaltung, die GEW, der Landeseltern- und Landesschülerausschuss, der Landesschulbeirat und weitere Gremien die Rahmenvorgaben für die Schulen entwickelten, auf deren Grundlage jede Schule ihr eigenes, schulinternes Hygienekonzept vorlegen musste. Uns interessierte, inwieweit sich die Rahmenvorgaben des Senats umsetzen ließen. Dazu befragten wir drei Friedenauer Schulen, eine Grundschule, eine Sekundarschule und ein Förderzentrum.

Die guten Nachrichten

Alle drei Schulen berichteten übereinstimmend, wie erleichtert Schüler, Eltern und Lehrer über die Rückkehr zum Präsenzunterricht seien. Die Schüler freuten sich, ihre Freunde wieder zu treffen, soziale Kontakte zu knüpfen, wieder einen strukturierten Alltag leben zu können und ihre oft empfundene Langeweile zu beenden. Sie seien dankbar für die persönliche Zuwendung und Wertschätzung durch Lehrer und Schüler. Die Motivation zu lernen sei gewachsen und dementsprechend willig und verantwortungsvoll hielten sie sich an die Vorschriften.

Die Eltern waren durch Homeoffice, Homeschooling und die ständige Anwesenheit ihrer Kinder oft überfordert. Der zuverlässige Regelunterricht lasse wieder eine stressfreiere Ausübung ihres Berufes zu. Die Erfahrung, ihre Kinder beim Lernen unterstützen zu müssen, habe sie gelehrt, wie viel Unterrichtskompetenz notwendig sei und was Lehrer leisten müssten. Dementsprechend sei der Lehrerberuf in ihrer Achtung und Wertschätzung deutlich gestiegen.

Für die Lehrer war die Versorgung der Kinder mit Unterrichtsmaterial während des Lockdowns extrem zeitaufwändig. Da viele Schüler weder die nötige Hardware (Laptop, Drucker, schnelle Internetzugänge), noch die nötigen Fertigkeiten besaßen, um das zugesendete Material aufzurufen, auszudrucken oder online zu bearbeiten, schickte man das Material entweder per Post oder setzte sich selbst aufs Fahrrad und brachte es den Schülern persönlich nach Hause. Fragen und Schwierigkeiten wurden telefonisch geklärt. Man versuchte über Video- oder Telefonkonferenzen den persönlichen Kontakt zwischen den Schülern zu halten, aber auch das scheiterte oft an den häuslichen technischen Voraussetzungen oder den mangelhaften Fähigkeiten der Schüler. Dies galt auch für die Sekundarschüler. Einige waren über Wochen „untergetaucht“ und telefonisch nicht erreichbar. Wenn der persönliche Kontakt über längere Zeit gekappt war, wurde es für die Lehrer schwierig, das Lernmaterial den Lernfortschritten des einzelnen Schülers anzupassen. Daher waren die Lehrer heilfroh, die Schüler wieder vor Ort zu unterrichten und ihr Lernverhalten beobachten und realistisch einschätzen zu können. Entsprechend wenige Lehrer fehlten, selbst wenn sie aus Alters- oder sonstigen Risikogründen fehlen könnten. 95% der Lehrer seien vor Ort, die Fehlenden unterstützten im Homeoffice die Anwesenden in Form von Unterrichtsvorbereitungen und Korrekturen. Im Kollegium herrsche das Gefühl der Notgemeinschaft. Unbequeme Vereinbarungen und Einschränkungen würden bereitwillig akzeptiert. Man spüre einen stärkeren Zusammenhalt und eine gewisse Relaxtheit.

„Angenäherter Normalbetrieb“

Ganz „normal“ verläuft der Unterricht in den befragten Schulen noch nicht. Die Unterrichtsfächer werden vorwiegend klassenintern unterrichtet, Mischungen der Klassen, z. B. im Wahlpflichtunterricht und in Arbeitsgemeinschaften werden noch vermieden. Musikunterricht ist nur eingeschränkt möglich, Tanzen und Singen ist in Innenräumen verboten, Spielen auf Instrumenten wegen der Hygiene ebenfalls. Sport findet möglichst draußen oder mit reduzierter Stundenzahl statt, um die Anzahl der Schüler innerhalb der Turnhalle zu  reduzieren.
Nicht erteilte Fachstunden stehen den Klassen z. B. für Förderstunden zur Verfügung. Bei den Pausen gibt es keine Sonderregeln. Aus organisatorischen Gründen müssen sie für alle Schüler gleichzeitig stattfinden. In einer Schule wurden den Klassenstufen einzelne Schulhofteile zugeordnet, um die Kontakte untereinander möglichst überschaubar zu halten, Berührungen, Umarmungen und enge körperliche Nähe bei Gruppenarbeiten sind zu vermeiden. Aktivitäten außerhalb des Unterrichts, auch Klassenfahrten werden zurzeit nicht durchgeführt.

Die schlechten Nachrichten

Die ohnehin vorhandenen Defizite wurden durch die Coronakrise lupenartig verdeutlicht. Dazu gehören die extremen Lernunterschiede zwischen den Schülern aus bildungsnahen und bildungsfernen Familien. Während des Lockdowns waren sie gewachsen. Die schwachen Schüler behielten bestenfalls einen Stand-by-Level, wofür man schon dankbar war. Die Grundschule führte zu Beginn eine „Lernstandserhebung“ bei allen Schülern durch, um den Unterricht und das Lernmaterial differenziert auf den Ergebnissen aufbauen zu können.

Katastrophal ist an einigen Schulen die digitale Ausstattung: Es herrscht ein Mangel an geeigneter Hardware und Software sowie an fachlich kompetenten Informatikern, die die teilweise veralteten Geräte auf Vordermann bringen oder Lehrer anleiten, die vorhandene Technik sinnvoll zu nutzen.

Und wie steht es mit AHA?

Abstand? Da die meisten Klassenräume für die Anzahl der Schüler zu klein sind, ließ der Senat das Gebot der Mindestabstände fallen.

Hygiene? Die Zahl der Handwaschbecken ist begrenzt. An einer Schule stehen für 450 Schüler beispielsweise nur sechs Waschbecken zur Verfügung.

Alltagsmasken? Eine Maskenpflicht besteht nur auf den Fluren.
Lüftung der Räume? Viele Fenster lassen sich nicht öffnen, andere Lüftungen gibt es bisher nicht.

Maßnahmen im Verdachtsfall:

Falls ein Schüler über Krankheitssymptome klagt, wird sofort das Gesundheitsamt informiert, welches unmittelbar die weiteren Recherchen, die Informationen an die Eltern und die notwendigen Testungen übernimmt, sowie ggf. Quarantäne verordnet. In beiden Fällen, die bisher an den befragten Schulen aufgetaucht waren,  habe das Gesundheitsamt Schöneberg vorbildlich reagiert.

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